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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Gronau, Georg: Die Neugestaltung der National-Galerie in Berlin
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Kirchbach, Wolfgang: Das Modell, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0178

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Die Neugestaltung der National-Galerie in Berlin. Von Georg Gronau.

^36

davon hängt der „Einsiedler", dessen Musik die Englein
lauschen, zur Linken das wunderbar tiefe „Schweigen im
Walde", das für einige Zeit der Sammlung leihweise
überlassen ist. Ich vermute, daß die in München er-
worbene „Meeresbrandung" diese Stelle später einnehmen
wird. Gegenüber beherrscht die Wand die „Pietä", zu
welcher sich aus dem Bestand der Sammlung allein zwei
Porträts von Lenbach und Canon haben gruppieren
lassen. Wer in diesem Raum einmal geweilt hat, wird
ein volles, durch nichts gestörtes Bild von Böcklins Kunst
mit sich nehmen, welche der ebenfalls vor kurzem er-
worbene „Licbesfrühling" wiederum von einer neuen
Seite zeigen wird. Wenige Schritte davon ist ein
Kabinett dem großen Antipoden Böcklins, Adolf Menzel,
gewidmet. In der Mitte der Wände sich gegenüber das
„Flöten-Konzert" und die „Tafelrunde"; außerdem die
„Abreise Kaiser Wilhelms zur Armee", diese stupende
Wiedergabe eines Augenblickes ekstatischer Begeisterung,
und eine Reihe von Skizzen des Meisters, hauptsächlich
Entwürfe zu seinen Historienbildern, dazu zwei Porträts:
der etwa vierzigjährige Menzel von Eduard Meyerheim
und der achtzigjährige von Boldini. In einem der Neben-
räume hängt dann das große „Eisenwalzwerk", das in
dem andern Saal nicht mehr Platz gefunden hätte, und
leitet über zu der Gruppe, zu der es gehört, zu den
jüngeren Naturalisten in Deutschland. Wer die Werke
Menzels in früheren Jahren gesehen hat, wie sie hier
und da verteilt hingen (die Studien waren gar nicht
ausgestellt), der wird dem neuen Leiter der Sammlung
Dank wissen für die wahrhaft würdige Art, in der diese
Werke nun zusammengestellt sind.

Die größte Ueberraschung aber bereiten uns die
Räume im zweiten Stockwerk. Nicht die Zimmer, welche
die Neuerwerbungen umschließen, sondern die kleinen
Kabinette mit Werken, die zumeist vor 1850 entstanden
sind. Da ist ein Raum mit den altvertrauten Bildern,

den Eduard Meyerheims, Hildebrandts, Magnus, die sich
so hübsch abheben von dem Hellen gelben Stoff, so ganz
anders aussehen wie früher, wo sie, eingezwängt zwischen
vielen gleichgültigen und schlechten Sachen, zu leiden
hatten unter der Langeweile des Besuchers, die ihn vor
diesen mit Bildern tapezierten Wänden längst befallen
hatte. Im Nebenraum aber was ist das? Von wem
sind diese etwas primitiv gemalten, aber so groß gesehenen
Landschaften, diese Studien voll Intimität und Wahrheit?
Von wem diese Porträts, diese Tierbilder? Haben diese
Bilder von Blechen und von Krüger wirklich früher
schon in der Galerie gehangen? Es ist so, aber sie
waren, was man so nennt, totgehängt; an Plätze ver-
wiesen, wohin das Auge nicht gelangen konnte. Dann
folgen im nächsten Saal eine Reihe von Veteranen
deutscher Kunst: Grass, Richter, I. A. Koch, Casp. Dav.
Friedrich, Preller — wiederum lauter Werke, aus dem
alten Besitzstand der Galerie, aber erst jetzt so plaziert,
wie sie es verdienen, eine Vereinigung zeitgenössischer
Schöpfungen, welche die gemeinsamen Bestrebungen einer
vergangenen Zeit anschaulich macht. Eine andere
Richtung, die Genremalerei der Düsseldorfer Schule, ver-
treten durch Hasenclever, Jordan u. a., kommt in dem
letzten dieser kleinen Kabinette zu Wort.

Ein vollständiger Umschwung hat sich also, wie man
sieht, seit Jahresfrist in der Berliner National-Galerie
vollzogen; treffliche Neuerwerbungen sind gemacht, und
eine geschmackvolle Aufstellung vereint sie mit den besten
Werken des älteren Bestandes zu einem anschaulichen
Bilde von der Kunst des neunzehnten Jahrhunderts.
Noch wird der Kunstfreund manche Lücke bemerken, aber
wir zweifeln nicht, daß die gegenwärtige Leitung sie
immer mehr wird auszufüllen verstehen. Hoffen wir,
daß dermal einst das Kunstschaffen des modernen Europas
in vollkommener Weise in diesen Räumen zur Anschauung
gelangen wird!

DaF Modell.

von Wolfgang Lirchbach.
(Schluß a. d. vor. Hefte.)

sticht ohne Staunen hört man ab und zu von Künst-
lern, die sich nicht des Modells bedienen, sondern
alles „aus dem Kopfe" malen sollen.

Nun, solche Künstler haben denn doch in den meisten
Fällen vorher gehörig nach der Natur des Modells
studiert, haben sich die Kenntnis des menschlichen Körpers
angeeignet nach allen Richtungen und besitzen ein be-
sonders starkes Formen- und Farbengedächtnis, etwa, wie
es Dichter giebt, die stets eine Fülle von Bildern, Ver-
gleichen und Reimen auf Lager haben, mit denen sie
überraschen. Freilich sind diese Dichter durchaus nicht
immer die besten. Der größte Meister der Dichtkunst
bedient sich verhältnismäßig am spärlichsten dieser seiner-
lebendigen Fähigkeit, in Metaphern zu sprechen; und wer
da in seinem Sprachgedächtnis die größte Masse von
Reimen stets zur Hand hat, macht oft am wenigsten
davon Gebrauch. Ein Meister wie Böcklin, der uns
Welten der Phantasie vorzaubert, wo Wesen erscheinen,
die wir in Wirklichkeit nie gesehen haben, eine Natur,
die mehr eine vorzeitliche, eine paläontologischc scheint

und uns als solche fesselt durch ihre Stimmungen, würde
allerdings wenig weise handeln, wollte er wirkliche Modelle
ins Bild übertragen und intim benützen. Er muß sich
seiner malerischen Phantasie völlig anvertrauen, denn die
Natur, die er schafft, kann nur durch diese Phantasie
selbst zur Natur in sich werden. Leicht aber ist bei allen
Künstlern, deren starkes Formengedächtnis ihnen auch
erlaubt, alle möglichen Ueberschneidungen und Stellungen
aus ihrer Phantasie hinzuzuzeichnen, die Gefahr vor-
handen, daß ihre Gestalten eine gewisse schematische Aehn-
lichkeit unter einander erhalten. Wir beobachten diese
Erscheinung besonders bei allen geistvollen Illustratoren.
Leicht setzt sich da eine feststehende Manier in die Hand
hinein. Der Klumpfuß der Genellischen Figuren ist jeder-
mann bekannt mit feiner sonderbaren Ueberschneidnngs-
linie im Knöchel. Die Figuren Ludwig Richters, be-
sonders seine breitköpfigen Kinder, sind alle nur von einer
Familie. Von Haus aus spielt allerdings auch hier die
Rasse eine gewisse Rolle. Richter sah thatsächlich in
seiner näheren Umgebung im Elbthale sehr viele solche
 
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