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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Ruhemann, Alfred: Das Relief "Die menschlichen Leidenschaften" von Jes Lambeaur
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0307

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Das üelief „Die menschlichen Leidenschaften" von Jef Lamveaux.

ie interessanteste und eigenartigste Erscheinung unter
den belgischen Bildhauern der Gegenwart ist un-
bedingt Jef Lambeaux. Von diesem nervösen, lebhaften,
von der Natur mit einer großen Dosis Klugheit und
praktischen Verstandes ausgestatteten Manne darf man
mit Recht behaupten: jeder Zoll ein Künstler. Wenn
man je von einer wahren Künstlernatur gesprochen hat,
hier, auf Lambeaux findet dieses Wort seine
richtige Anwendung. Nichts ist übertrieben,
wenn man ihn mit seinen großen Lands-
leuten und Ahnen Rubens und Jordaens
in eine Reihe stellt. Kraft, Sinnlichkeit,
unstillbare Freude am Dasein, tiefseelisches,
religiöses Empfinden, Sarkasmus — alles
das ist in Lambeaux dem Künstler, wie in
Lambeaux dem Menschen in seltsamem und
doch auch so herzerfrischendem Gemisch zu
finden. Und wenn je einer sich durchgerungen
und seinem eigenen Temperamenr durch alle
Ungunsten des Schicksals zu dem machtvollen
Siege bleibenden Wertes verholfen hat, so
ist es wiederum Jef Lambeaux. Vom Sohne
des umherwandernden Kesselschmieds, vom
Verzinner es in vierzig Jahren zum Schöpfer
des riesigen Reliefs der „Menschlichen Leiden-
schaften" zu bringen — welche Unsumme
von Genie, Kraft und Leidenschaft ist nicht
hierzu von nöten!

An Jef Lambeaux, des armen Arbeiter-
sohnes Wiege stand die hehre Kunst Pate.

Sie mußte wohl dann und wann vor der
bitteren Not des Alltags wehmütig zurück-
treten, aber umschwebt hat sie ihn immer.

Sie gab ihm die Kraft, im neunzehnten
Jahre schon ein fertiges Werk ersten Ranges,

den „Krieg" zu schaffen, sie rettete ihn vielleicht für
immer vor dem Verfall in eine akademische Trockenheit,
indem sie ihm, dem talentvollsten Schüler von Josef
Geefs und der damaligen Antwerpener Akademie, den
Rompreis verweigerte. In diesem ersten Abschnitte
seiner künstlerischen Laufbahn war Lambeaux noch eben-
soweit entfernt von dem innersten Kern seiner eigent-
 
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