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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Schaarschmidt, Friedrich: Eduard von Gebhardt: (zum sechzigsten Geburtstag des Künstlers, 13. Juni 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0329

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von F. Schaarschmidt.

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Seine Jugend verbrachte Gebhardt bis znm zwölften Jahre
im Elternhause, um dann das Gymnasium zu Reval zu besuchen.
Die dortige Studienzeit fand ein plötzliches und unerwartetes Ende,
als die Engländer Reval blockierten und die Schulen geschlossen
wurden. Um dem zwecklosen, aufgezwungenen Müßiggang ein Ende
zu machen, ging Gebhardt mit Zustimmung seines Vaters nach
Petersburg, wo er wenige Tage vor dem Tode Kaisers Nikolaus I.
1856 eintras und die Akademie bezog. Der Unterricht an dieser
Anstalt beruhte hauptsächlich auf der Anleitung zu einem naiven
Anschauen und schlichtem, einfachem Nachahmen der Natur, das sich
besonders in eifrigem Aktstudium aussprach. Konkurrenzen steigerten
den Eifer der Schüler zu den größten Anstrengungen, aber zu einer
fruchtbaren Weiterentwicklung fehlten in Petersburg die Grund-
bedingungen eines künstlerischen Lebens und eines verständnisvollen
Publikums. Nur in dem Hause des Malers Petzold fand der junge
Zeichenschüler vielseitige Anregung, ohne indessen zu Petzold, der
ein vielseitig gebildeter, geistvoller Mann war, als Künstler aber
einer anderen Zeit angehörte, in ein Schülerverhältnis zu treten. —
Nach dreijährigem eifrigem Studium in den Zeichenklassen, dem Geb-
hardt vielleicht seine eminente zeichnerische Sicherheit zu verdanken
hat, verließ er das heilige Rußland, um im Ausland seine Studien
fortzusetzen. Er kam nach Düsseldorf, wo er den jungen Petzold antraf, mit dem er Belgien und Holland bereiste,
auch Wien und München flüchtig besuchte, um sich dann 1858 in Karlsruhe festzusetzen. Nach Karlsruhe war vier
Jahre vorher Schirmer als Direktor der Kunstschule von Düsseldorf berufen worden und Lessing war ihm eben als
Direktor der Gemäldegalerie dorthin gefolgt. Beiden berühmten Künstlern war ein großer Kreis von Düssel-
dorfer Malern nachgezogen, die in Karlsruhe eine neue Kunstüra zu begründen entschlossen waren. Ihnen
schloß sich v. Gebhardt an, und er blieb nun, eifrig zeichnend und malend, fast zwei Jahre in Karlsruhe. Ein
Besuch in der Heimat unterbrach die Studienzeit, und dann kam Gebhardt, der, unschlüssig ob er nach Rom
oder nach München oder wieder nach Karlsruhe ziehen sollte, sich auf den Weg gemacht hatte, wieder nach
Düsseldorf, wo er eine Anzahl von Freunden Wieder-
sand, die in Karlsruhe nicht das gefunden hatten, was
sie erhofft haben mochten.

Der Ruf der Düsseldorfer Malerei hatte unter
Schadow, Bendemann und Sohn damals eine Höhe
erreicht, die den wirklichen Leistungen eigentlich nicht
entsprach. Es blühte damals in der figürlichen Malerei
noch immer die Romantik, neben der sich das berühmte,
gemütvolle Familien-Genrebildchen und die Bauern-
poesie herangebildet hatten. Erst in den Anfängen
machte sich jene Kostümmalerei bemerklich, die später
einen so großen und unheilvollen Einfluß erlangen
sollte. In der religiösen Kunst herrschte unbestritten
das ausgesprochen kirchlich-katholische Nazarenertum.

Daß ein Protestant, wie etwa der junge Wilhelm
Sohn, ein religiöses Bild malte, gehörte zu den Aus-
nahmefällen, und der geniale, ebenfalls protestantische
Rethel, wohl der einzige aus jener Zeit, der in der
Kunstgeschichte für immer seinen Platz behaupten wird,
war auch auf diesem Gebiete ziemlich unverstanden und
ohne direkten künstlerischen Einfluß ausgeübt zu haben,
ein Jahr vorher in Geistesumnachtung gestorben.

Zwischen der Akademie und der Künstlerschaft hatte
sich bereits jene Spaltung entwickelt, zu der Wohl
Schadows despotisches Regiment und die Bevorzugung
seiner Getreuen den ersten Anlaß gegeben hatte, die
dann aber durch den reichen Zuzug von gereiften
Künstlern, die niemals in einem Schülerverhältnis

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