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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Jahres-Ausstellung im Glaspalast, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0408

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Münchener Iabres Ausstellung 1898.

Die Münchener IahreF-AuMellung im GlgKpnlast.

von Friedrich pccht.

I.


^^iese Ausstellung steht unter zwei Herrschern: unter Klinger, der die alte deutsche Neigung zur Gedanken-
Malerei und die neuesten Tendenzen der deutschen Kunst in seinem großen Bilde von „Christus im
Olymp" mit immerhin ungewöhnlichem Talent vertritt. Ihm gegenüber ist Lenbach, der einen ganzen
Saal mit seinen prächtigen, aber sich durchaus an die großen Cinquecentisten anlehnenden Bildnissen gefüllt
hat. Denn bekanntlich meint der Meister noch immer, daß die Malerei doch eigentlich eine schon längst er-
fundene Kunst sei, deren Pfade alle gebahnt und die man nicht etwa erst zu suchen, sondern nur rüstig zu
verfolgen brauche, da schon dafür gesorgt sei, daß man niemals dem Tizian, Van Dyk oder Velasquez allzu
ähnlich werde. Daß er ihnen aber näher gekommen als irgend ein anderer Moderner, das giebt unleugbar

Lesendes Mädchen. Alois Erdtelt pinx.

Münchener Iabres-Ausstellung 1896.

seinen Bildnissen einen Reiz von mit hoher Eleganz
gepaarter Wahrheit, die den mit ihnen gezierten Saal,
wenn nicht zum anziehendsten, doch jedenfalls zum vor-
nehmsten der ganzen Ausstellung macht. Selbst obwohl
wir das männliche Geschlecht, in dessen geistvoller
Wiedergabe doch des Meisters größte Stärke liegt, auch
diesmal lieber zahlreicher vertreten gesehen hätten. —
Wie dem auch sei, hier lernt mau einen echten, gott-
begnadeten Maler kennen, der, obwohl im Einzelnen
manchmal übertroffcn, doch im Ganzen seinesgleichen
heute nirgends mehr findet. Neben seinen übrigen
Fähigkeiten hat aber der Hofmaler Bismarcks auch
ein dekoratives Geschick, das ihn zum Leiter einer
Ausstellung in ganz ungewöhnlichem Maße geeignet
macht und das er jetzt dazu benützt hat, der heurigen
einen feinen künstlerischen Reiz und einen überraschenden
Scenenwechsel zu geben, der uns weder die Secessious-
ausstelluug, noch die der verschiedenen fremden Na-
tionen, die beide voriges Jahr, noch vorhanden waren,
irgendwie vermissen läßt. Ja, man gratuliert sich
sogar über die Abwesenheit mancher, deren so wenig
gerechtfertigtes anmaßliches Auftreten uns so oft ver-
stimmte. Denn an Mannigfaltigkeit und erfrischender
Abwechslung fehlt es, wie gesagt, auch jetzt nicht.

Steht nun Lenbach an der Spitze der Künstler,
die sich ihre Vorbilder unter den Alten suchen und
die Welt vor allen Dingen auf ihre farbige Erscheinung
und nicht aus ihre philosophischen Probleme oder die
Natur auf neuen Wegen ansehen, so thut sein künstle-
rischer Antipode Klinger beides, und nicht ohne hervor-

4t

Die Aunst für Alle, XIII. 21. 1. August ISIS.
 
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