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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Jahres-Ausstellung im Glaspalast, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0409

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Die Münchener Inhres-Aiisstellnnq im Glcispalast.

ragendes Talent. Schon der Gedanke, die Verdrängung der schonen hellenischen Götterwelt durch das moralisch
so viel höher stehende Christentum darstcllen zn wollen, ist sicherlich nicht ohne poetischen Reiz! War aber
Klinger in seinen selbstkomponierten Radierungen bekanntlich oft von bewunderungswürdiger Genialität auch
in der Formengebung, so reicht seine malerische Begabung doch offenbar an seine zeichnerische nicht hin, und
da gerät er denn allerdings auch wieder auf jene gefährliche Gedankenmalerei, die schon so viele Talente bei
uns ruiniert hat. Denn selbst als Zeichner ist er einem Cornelius z. B. nicht entfernt gewachsen, ja keine
seiner Figuren hat irgend das rein malerische Interesse, das die Gestalten der „Unterwelt" oder des „Olymps"
in der Glyptothek so hochbedentcnd macht, trotz ihrer stümperhaften Malerei. Stellt nun Klinger den Acrger
der Olympier über ihre Verdrängung durch diese Kreuzschlepper nicht ohne Humor dar, so bleibt er doch in
der Wiedergabe dieser so gewaltigen christlichen Welt tief unter seiner Aufgabe, da man bei ihm nirgends
sieht, daß es diese Reinheit, Keuschheit und sittliche Hoheit, die alle dem olympischen Göttergesindel abgehcu,
ins Treffen und selbstverständlich zum wohlverdienten Siege zu führen hat. Er läßt hinter dem jene Eigen-
schaften fast allein vertretenden Heiland das Kreuz durch vier, allerdings edle Frauen nachtragen, vergißt
dabei aber ganz der naiven und unschuldigen Kindcrschar, der das Christentum seinen Sieg nicht weniger
verdankt als den Frauen. Vortrefflich erfunden bleibt dagegen von Klinger, daß Psyche die erste ist, die sich
zum nicht geringen Aerger des Amor, Christus zu Füßen wirft! Und so wird man an dem Bild immerhin
noch gerade genug zum Denken, wenn auch nicht ebensoviel zum Sehen finden, obwohl auch das letztere immer-
hin noch Hinreichendes bietet, um dem Werk einen hohen Rang zu sichern, da auch sein Kolorit jedenfalls
harmonisch und lichtvoll ist, wenn auch die Erfindung der Figuren packender sein dürfte. — Was außerdem
noch von religiösen Bildern zu sehen, und dessen ist entsetzlich wenig, gehört meistens einer minder großartigen,
aber malerisch fruchtbareren Anschauung an. SoMarrs (Luitpoldgruppe*) liebliche Madonna, deren Bambino
von einem großen, ihn ansingenden und oft überaus frisch erfundenen Engelchor umlagert wird, ein Bild voll
Zaubers der Kinderwelt. Ganz im Geiste der Altdeutschen ist L. v. Kramers Triptychon mit der „Kreuzigung"

gemalt, immerhin charaktervoll, wenn auch,
wie sic, nicht immer schön. Trotz der
schweren Färbung nicht ohne Verdienst
ist A. v. Brandts' „Hochzeit zu Cana",
die von gründlichem Studium des Paul
Veronese Zeugnis ablegt, aber freilich
über eine gewisse dekorative Kälte nicht
recht hinauskommt. Schön empfunden ist
dagegen eine Maria von Echtler (L.-G.)
und auch Nonnenbruchs (L.-G-) „Ver-
klärung" nicht ohne Reiz, wie des Weimar-
aners Thedy (L.-G.) „Kreuzanbctung"
auch nicht ohne Verdienst ist, obwohl alle
diese Bilder im Grunde nur beweisen, daß
die Zeit der religiösen Malerei in Deutsch-
land gründlich vorbei sei. An Feuersteins
köstliche Kompositionen in der Münchener
hl. Gcistkirche reicht keine von diesen
allen! — Ganz modern, eigenartig rührend,
mutet daneben Räubers Genoveva mit
der Hirschkuh an, wahr und tief ergreifend
gedacht! Auffallend ist jedenfalls die
unseren Malern mit der Vernachlässigung
der christlichen Stoffe in immer steigendem
Maße wicdcrgekommene Neigung zu den,
rein malerisch freilich gar dankbaren, aber
meistens kühl lassenden antiken Mythen.
Dieser Neigung verdanken wir denn auch
das künstlerisch vollendetste Bild der Aus-
stellung: v. Löfftz (L-G.) „Orpheus'Ab-
schied von Eurydike", wo nicht nur des


Bei weiteren Anführungen mit
gekennzeichnet.

,L.-G.'
 
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