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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Schumacher, Fritz: Zum Kampf ums Kunstgewerbe: eine Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0450

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Z55

Tum Mampf ums Munftgrwerüe.

Line Plauderei, von Fritz Schumacher.

-Und deshalb konnte das eingedörrte Gebiet

der angewandten Künste nur dadurch befruchtet werden,
daß die freie Kunst der Malerei die Sache in die Hand
nahm, sagte der Journalist. Wir können froh sein,
daß die Maler es nicht mehr unter ihrer Würde halten,
kunstgewerblich zu arbeiten.

Uebcr das „nicht mehr unter ihrer Würde halten"
allerdings, meinte der Architekt, denn über jede Dumm-
heit, die aus der Welt verschwindet, kann man sich freuen.

Sie wollen doch nicht sagen, daß es gleichgültig
ist, ob ein Künstler seine Arbeit an die Darstellung der
höchsten Ideale der Menschheit verwendet, oder an die
Anfertigung eines Leuchters! fiel die Kunstenthusiastin ein.

Das meint unser Freund gewiß nicht, entgegnete der
Philosoph, aber auch ich möchte behaupten, daß wenn
jedes dieser beiden Ziele wirklich vollkommen erreicht ist,
in jeder Arbeit ein Quantum von dem steckt, was wir
„Kunst" nennen, und wie Elektricität gleich Elektricität
bleibt, ob sie eine einzige Glühlampe oder einen Leucht-
turm speist, so stehen wir in beiden Fällen der Aeußerung
ein und derselben Kraft gegenüber, die wir deshalb auch
gleich werten müssen.

Darauf kommt mir's gar nicht an, wandte der
Architekt ungeduldig ein, das halte ich überhaupt für
eine ausgemachte Sache; mir ist viel wichtiger, zu betonen,
daß derjenige, der ein großartiges Gemälde zu schaffen
imstande ist, darum noch lange keinen Leuchter braucht
machen zu können.

Mein Gott, das bringt uns ja auf ein ganz un-
diskutierbares Gebiet der individuellen Begabung, sagte
der Journalist.

Ich will auch keine Regeln aufstellen, meine Absicht
ist rein negativ. Ich will damit nur einer Anschauung
entgegentretcn, die in letzter Zeit vielfach aufgetaucht ist.
Ich habe sie vielleicht am konzentriertesten in einem
Artikel des Kunst-Anonymus der „Grenzboten" gefunden,
der in der, wie er meint, beklagenswerten neueren Kunst-

gewerbe-Richtung den nationalökonomischen Trost findet,
daß die vielen Maler und Bildhauer, deren Talent für
selbständige Kunstleistungen nicht ausreicht, dadurch ein
Bethätigungsfeld fänden.

Ich bitte Sie, warf der Philosoph ein, nehmen Sie
einen Mann
ernst, der an
Segantini
vor allem den
Mangel an
Luftperspek-
tive beklagt?

Pardon!
der Mann be-
ruft sich auf
einen Aus-
spruch von
Bode, und
wenn Bode
auch vielleicht
seinen Ge-
danken ganz
anders inter-
pretieren
würde, als
es dort ge-
schehen, so
sehe ich trotz-
dem eine
große Gefahr

für die neuen Bestrebungen, wenn man eine Invasion
der beschäftigungslosen Malerwelt befürwortet, ehe diese
Bestrebungen ausgereift sind. Sie werden ja sehen, welch
eingebildete Karikaturen daraus entstehen.

Sie verallgemeinern, wie der beste Journalist,
spöttelte der Philosoph.

Ich danke für das Kompliment! erwiderte dieser.

Vor allem aber sehe ich noch
nicht ein, weshalb man den
Malern von vornherein dieses
Mißtrauen entgegenbringen
soll. Selbst zugegeben, daß
irgend einer von ihnen unter
die Künstler ersten Ranges
nicht zu zählen ist, so wird
er doch — denn von talent-
losen Stümpern dürfen wir
gerechterweise nicht reden —
voraussichtlich noch immer
mehr Kunstgefühl in seine
Arbeit hereinlegen, als der
Durchschnittshandwerker, der
heute doch notorisch nur selten
von Phantasie geplagt wird.

Das' ist es ja gerade!
sagte der Architekt, dies ein-
seitige Ueberschätzen der Phan-
tasie. Wir können gar keinen
phantasievollen Hausrat ge-

45*

Dämmerst ille. jDietroFragiacomo prnx.

Berliner Aunstausstellung 1893.

Doxpelbüste. Fritz 2ilirn sch p!ux.

Berliner Kunstausstellung 1898.
 
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