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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 13.1897-1898

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Kunstlitteratur u. vervielf. Kunst - Denkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.12047#0481

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Ausstellungen und Sammlungen.

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Künstlern seiner Heimat gehört, möchte ich hier vornehmlich
Alexander August Hannotiau und Ferdinand
Willaert ^nennen. Willaert bietet in seinem „na het los"
(nach dem Segen) betiteltem Mondlichtbild in dunklem Graublau
und Hellem Grau und in „de Molenweg", einer in graugelber
Beleuchtung gehaltenen gewitterschwülen Abendstimmung, sehr
interessante, dem Empfinden des Publikums jedoch wohl weniger
zugängliche Farbenstücke. Von feinstem Farbenreiz ist Jaak
Nosseels „Regen", das eine gewisse Verwandtschaft mit den
Dachauern in der Farbenbehandlung zeigt, ferner FransBinges
„Moeras", dessen violette Tinten in gutem Kontrast zu dem
abenddunklen Grün des Laubes stehen, und Alfred Stevens
Seestück, in dem das Helle klare Grün der See mit dem leuchtenden
Rot und Lila der höheren Wolkenpartien der über dem Meer
aufsteigenden Wetterwand pikant wirkt. Von trefflichem Stimmungs-
gehalt sind Edgar Farasyn „vöör den slagboom" und Victor
Gilsoul „opkommende Maan", in dem eine wunderbare Abend-
ruhe liegt. Frisch und sehr sympathisch sind Rudolf Wyts maus
beiden Landschaften. In demselben Raum, dem kleinen goldenen
Saal — er enthält eine ganze Reihe vortrefflicher, in Deutschland
wenig oder gar nicht bekannter Bilder, wie die von Willaert und
Rosseels oben erwähnten — befindet sich ein Gemälde von Emil
Claus, „Rozeken", das besonders hervorgehoben zu werden ver-
dient: Eine junge Erntearbeiterin, welche die nackten Arme unter
der Brust auf der mattlila gestreiften, verschossenen Blouse ver-
schränkt, hebt sich mit prachtvoller Körperlichkeit von dem grau-
grünen Hintergrund des Stoppelfeldes ab; es spricht aus dem
blühenden Gesicht, aus der ganzen Figur gesundes, sicheres
Lebensbewußtsein. Als ich das Bild des vlämischen Malers be-
trachtete, siel mir ein Vers Claus Groths ein, der die Verwandt-
schaft beider niederdeutschen Künstler in der Freude an der kraft-
vollen, lebenssichereu Gesundheit zeigt: Der Vers lautet:

Min Anna is en Ros' so rot.

Min Anna is min Blom,

Min Anna is en Swölk to Fot
Min Anna is as Melk un Blot,

As Appel oppen Bom.

Aber die Schätze des goldenen Saals sind damit nicht erschöpft.
Von Willaert ist dort ein drittes Gemälde, größeren Formats:
„nog niel". Es stellt einen auf seinen Spaten gelehnten alten
Arbeiter dar. Er ist totmüde und der Rücken schmerzt ihm vom
graben, daß er sich nicht anfzurichten vermag, trotzdem — es ist
noch nicht Zeit zu ruhn, er wird Weiterarbeiten müssen nach
kurzer Rast. Das hat der Maler lebendig geschildert. — Auf
Jan Delvins Bild „Huiswaarts" ist der aus dem schweren
Arbeitspferd heimreitende, prächtig von der Abendsonne beleuchtete
Alte gut charakterisiert, während das Pferd nicht ganz befriedigt. —
Von Jozef Horenbant find zwei in kalten, blauen Tönen ge-

haltene Interieurs da. — Zu den interessantesten Künstlern ge-
hört Theo van Rijsselberge. Bon den französischen Pointillisten
ausgehend, erreicht er mit seiner Technik treffliche Raum- und
Luftwirkungen. Seine „vrouw in oranje" ist sehr lebendig; „de
spits van Perkiridec te Roscoff" ist ein Seestück voll Frische und
Sonneuglanz. — Constantin Meunier, dem wir in der Ab-
teilung für Bildhauerei wieder begegnen werden, ist auch als
Maler vertreten. Sein „het Zaaieu" betiteltes Bild zeigt, daß
er in erster Linie doch Plastiker ist, denn die Freude an der Figur
des Menschen, des säenden Landmannes, überwiegt bei weitem
das Interesse des Malers an Landschaft und Farbe. —Armand
Heins „grootmoedershoekje" findet bei den Besuchern der Aus-
stellung vielen Beifall, weniger ist das der Fall bei Eugeeu
Laermans grotesken, breitgemalten derben Bauernscenen. Es
ist wahr, diese schweren kantigen Figuren sind grob bis zur
Brutalität; der rohe Ausdruck ihrer Gesichter, die steifen Glieder,
die zuweilen aussehen, als hätte ein Knabe sie mit dem Taschen-
messer geschnitzt, sind nicht einnehmend, doch ist in Haltung und
Bewegung viel richtige, intime Beobachtung und oft überraschend
wahre Charakteristik. — Leo Frederic, Karel Doudelet und
Constant Montald vertreten die symbolistische Richtung der
modernen Kunst, letzterer lehnt sich offenbar an Burne-Jones
an. Das zeigt am deutlichsten sein „In de telien" betiteltes
Bild. — Aus der Abteilung für Aquarell, Pastell und Zeichnung
will ich endlich noch Bert h'Art, HermannRichir und Armand
Heins nennen. — Besonders Tüchtiges ist in der Abteilung für
Bildhauerei geleistet. Constantin Meuniers monumentale
große Kunst ist durch Schöpfungen, wie den berühmten „Hammer-
meister", die Büste eines Minenarbeiters und andere Werke, in
denen er der Arbeit ein Denkmal setzt, und durch die edelschöne,
an Donatello gemahnende Frauenbüste, die Melancholie, ver-
treten. — Von Juliaan Dillens sei der realistisch aufgefaßte,
rührende Kinderengel genannt. Julius Lagaes Doppelbüste
„Vader en Moeder" gewinnt durch treffende, intime Charakteristik.
Kraftvoll ist Thomas Vincottes Catilinabüste. Graf de
Lalaing hat einen schönen Kopf und eine Bronzegruppe, „Tiger
im Kampf mit einer Schlange", ausgestellt. Vortrefflich beobachtet
in der Haltung ist die originelle, steife Bronzestatuette „Gewonde"
von George Minne. Von den zahlreichen Arbeiten Jsidoor
de Rudders ist die Märchengestalt der Wahrheit besonders
hervorzuheben. Paul Dubois „vrouw met den zak" ist eine
mit unmittelbar überzeugender Wahrheit gegebene Figur aus dem
Großstadtleben unserer Tage. Von tiesem Gesühlsgehalt sind
Pieter Braeckes prächtige Gruppe „Weduwe", eine mit zwei
Kindern knieende Frau, und Willem Charliers „moederlijke
onrust", eine ärmlich gekleidete Frau, die den Schlaf des Knaben
in ihrem Schooß sorgend bewacht. lWK-i
 
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