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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Perfall, Anton von: Unter dem Schlapphute!, [2]: Novelle aus dem Künstlerleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0039

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Von Anton Freiherrn von Perfall.

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Bildnis-Relief. Uug. Araus sec.

Jahre waren vergangen, der alte Rosner hatte
Wort gehalten. Ans dem Maler Julei war ein be-
rühmter Meister geworden, mehr, ein Führer im er-
bitterten Kampfe um die neue Kunst.

Sonderbarerweise jedoch schien der Kommerzienrat
seine ganze Thatkraft, sein ganzes Organisationstalent auf
seinen Schwiegersohn zu verwenden, in demselben Maße
als jener zunahm, nahm er, das Haus Rosner, selbst ab.

Oder hatte ihn diese für einen Geschäftsmann ver-
derbliche Kunstatmosphäre vergiftet! Er
selbst behauptete es. Andere, die Kunst
habe sich an ihm gerächt, sie lasse sich nun
einmal nicht behandeln wie Kaffee, Reis
und Kakao.

Gleichviel, was Wahres daran war,
das Haus Rosner sank zusehends; eine un-
glückliche Spekulation nach der andern einer-
seits, immer größeres Wagnis anderseits.

Julei arbeitete wie im Fieber. Man
muß doch den Schlagwörtern gerecht werden,
die man selbst ausgiebt. Muß sogar dann
und wann stark betonen, über das Ziel
hinausgehen, um seine Absicht auch den
breiteren Massen klar zu legen.

Mit dem reinen Schaffensglück ist es
freilich dabei zu Ende. Es fragt sich nur,
ob man ein Recht hat auf dieses bequeme
Glück, wenn man die Kraft zu mehr fühlt,
zu einem mächtigen Vorstoß.

Abgesehen von dem allen, das Geschäft
ging slott. Je unverständlicher er wurde,
desto mehr stieg er im Preise, desto mehr
hoffte man auf ihn. Das lag so in der
ganzen Zeitrichtung.

Unverständlichkeiten hatten eine Chance
in der Zukunft. Man erlebte sie ja mit
alle diese jetzt zu Ansehen und Ehren ge-
langten Unverständlichkeiten der Vergangen-

heit, nicht nur in der Kunst, auch in der Politik, im
sozialen Leben, überall.

Julei aber war es seinem Schwiegervater schuldig,
daß er auch die geschäftliche Seite berücksichtigte; opferte
sich dieser doch zusehends auf für ihn.

Die große Frühjahrausstellung begann. Julei
war zum Präsidenten derselben gewählt worden.
Berge von Kisten türmten sich um ihn. Alle Bilder
der Erde schienen sich hier ein Rendezvous geben
zu wollen.

Erst mußte er lachen. Was waren seine Werke
dagegen, die reinsten Bilderbücher an Schlichtheit,
Verständlichkeit, gegen diese tollen Gewagtheiten, bunt-
farbigen Gehirnblasen. Der reinste Gifthauch strömte
ihm daraus entgegen. Hüte dich, Julei, rief er sich
selbst oft zu; aber er drang durch alle Ritzen und
Spalten, auch durch seine Atelierthüre, so hermetisch er
sie abschloß dagegen.

Frida erschrak über sein Aussehen. Keine Spur
von der einstigen Frische. Eine nervöse Hast hatte
ihn ergriffen, unter der sie nur zu oft zu leiden
hatte. Sie verstand ihn nicht mehr, hatte ihn Wohl
nie verstanden. — Diesen Vorwurf mußte sie jetzt
täglich hören.

Das große Bild für die Ausstellung, welches er
bei verschlossener Thüre malte, verließ das Atelier, ohne
daß er es sie hatte sehen lassen. Das war der größte
Schmerz.

Vergleiche begannen mit ihrem stillen Liebesglück
des ersten Jahres, die Mühle tauchte wieder auf in ihrer
Erinnerung, der Maler mit dem Schlapphut im Buchen-
wald. — Unendliches Sehnen ergriff sie, das Weh herben
Vorwurfes.

(Der Schluß folgt im nächsten Hefte.)

Entwurf für ein Grabdenkmal.
 
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