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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Barth, Hans: Von italienischer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0052

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von italienischer Kunst.

ihrer ganzen urwüchsigen Frische und Energie auf uns
wirken, wie die lebendige Natur selbst. Ciardi, dessen
schönstes Landschaftsbild „Messidoro" in der römischen
National-Galerie hängt, schenkt uns aber auch entzückende
Studien aus seiner Vaterstadt und aus den Lagunen;
so die venezianische Fischerbarke mit dem wundervollen
Abendhimmel und dem namentlich in der Anordnung
vorzüglichen, Poetisch wirksamen Blick auf den Lärmt
gruncke. Uebrigens beginnt sich dem Namen Guglielmo
Ciardis schon jetzt der Name seines Sohnes Giuseppe
ehrenvoll anzureihen, der sich bei der Ausstellung in
Florenz als ein Künstler von ungewöhnlichem Talente
erwiesen. Dem alten Ciardi ähnlich sind die Venezianer
Perez-Senet und der in der alten venezianischen Schule
ausgewachsene Piemontese Delleani, der sich vom
Historien- und Genre-Maler allmählich zu einem hoch-
bedeutenden Landschafter entwickelt hat. Auch seine Specia-
lität ist das Hochland und die großartig reizvolle Ge-
birgswelt. Zu Delleanis besten Bildern gehört die über
die Berghalde zu Thal steigende Prozession. Im Hinter-
gründe der Zug der Pilger, die dem fernen Kloster zu-
streben, vorn die in der Arbeit einhaltenden, in Demut
sich neigenden jungen Bäuerinnen. Die Perspektive ist
glänzend herausgearbeitet, die Farben herrlich, Komposition
und Zeichnung meisterhaft; ein Lob, das — muwtis
inulanctis — auch der „Segnung" von Rafael Perez-

von Cefare Laurenti.

Senet zu spenden ist. Im eigentlichen „venezianischen
Genre" sind zunächst die im Gegenstand und namentlich
im Kolorit nahverwandten Laurenti und Milesi zu
nennen. Wie diese beiden wissen nur wenige ins Wesen
der Wunderstadt an der Lagune einzudringen, die tausend
und abertausend kleinen intimen Züge jener seltsam poe-
tischen Welt zu erlauschen, sich in all den Zauber zu
versenken, der über den alten Palästen, den stillen, ge-
heimnisvollen Kanälen schwebt. Milesi — ein echter
Sohn des Volkes — führt uns hier in das Innere
eines armseligen Hauses, wo der alte Großvater — der
Typus der einstigen Gondoliere — mit dem Enkelkinde
scherzt. Des Künstlers bestes Bild — des Gondolieres
Frühstück — bildet eine Zierde des römischen National-
museums. Cesare Laurenti unterscheidet sich von seinem
»srutello« oder vielmehr »Aemmello in nrte« (Zwillings-
bruder in der Kunst) nicht durch die Mache, sondern durch
den tiefen, etwas melancholischen Ernst, der über allen seinen
venezianischen Scenen liegt. Sein „nahendes Gewitter"
erinnert uns beinahe täuschend an jene »Vm aspru« in
der römischen National-Galerie, wo wir ein sorgenvolles
junges Weib, ein Bündel auf dem Kopf, den Abhang
hinaufwandeln sehen. Das Sujet ist hier dasselbe —
die alte Geschichte vom armen Gretchen, wobei auch die
bösen Zungen nicht fehlen, zwar hier nicht am Brunnen,
sondern auf der malerischen Brücke. Daß nun ein so
ursprünglich veranlagter Künstler unter die Prärafaclitcn
ginge, das sollte man nicht für möglich halten. Und
doch hat sich Laurenti seit einiger Zeit der Symbolik,
Allegorie rc. zugewandt und auf der letzten Ausstellung
zu Venedig durch ein „Parabel" benanntes Diptychon
Aufsehen erregt, das trotz seiner Vorzüge starke Sehn-
sucht nach Laurentis früheren Werken erweckte. Laurenti
ist aber auch ein Universalgenie — sein Projekt zum
Neubau der „Pescheria" im reinsten venezianischen Cinque-
cento-Stil ist von der Stadt angenommen worden, und
bis vor zwei Jahren war Laurenti die Architektur ein
Buch mit sieben Siegeln gewesen! Lebenswahre Volks-
typen malen u. a. auch Zezzos (man vergleiche seinen in
Komposition und Anordnung allerdings nicht ganz tadel-
losen „Taufgang") und Zonaro, dessen namentlich in
der Architektur vortreffliche Jahrmarktscene freilich nicht
aus der neuesten Schaffensepoche des Künstlers stammt.
Von dem melancholischen Bazzaro (Chioggia) bringen
wir einen fein gemalten „Gang zur Messe", von Lessi
eine Scene aus dem Seicento („Bücherfreunde"). End-
lich noch zwei venezianische Porträtisten: Paoletti mit
dem kameeartigen, überaus lebensvollen Bildnisse seiner
Frau und Ettore Tito mit einer Dame am Mecres-
strand. Der Künstler, dessen herrliche, farbenleuchtende
„Pescheria" vom Nationalmuseum angekauft wurde, ist
einer der ersten Koloristen Venedigs, besonders in der
Farbe — er bedient sich häufig der Lasur — Venezianer
durch und durch. Seine Bilder sind leuchtend und von
einem Dufte liebenswürdigster Sinnlichkeit umwoben,
seine Sujets immer heiter und graziös ; mit einem Wort,
er ist die harmlose venezianische Ausgabe des großen
Turiner Koloristen und Frauenmalers Grosso. Tito ist
in der Darstellung des Ewig-Weiblichen ebenfalls Meister;
sein Damenporträt — es kann sich (ich wette es) nur
um eine Römerin handeln — ist ein Hymnus auf das
schöne Geschlecht. Hat das italienische Wort von dem
»PLE cii ckonna« jemals besser zugetroffen, als auf

Nahendes Gewitter.
 
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