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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Keyssner, Gustav: Russische Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0098

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von G. Keyßner.


von ein paar Leuten abgesehen, die schon deshalb die
„Newa-Tataren" schlecht finden mußten, weil sie Gäste
der Secession waren, die Russen freudig willkommen
geheißen. Es war freilich insofern ein rein objektives
Wohlwollen, das man ihnen entgegen brachte, als bei
ihnen eigentlich neue Anregungen, unerwartete Offen-
barungen der Technik oder der Anschauung nicht zu holen
waren. Aber man freute sich eben, eine Reihe neuer
Künstler kennen zu lernen, die etwas von ihrem Hand-
werk verstehen, die Natur liebevoll studieren und, sowenig
sie die westeuropäische Schule verleugnen, nicht mit dort
erworbener Routine prunken, sondern ihr Können ganz
in den Dienst ernster Sachlichkeit stellen — was mehr,
als alle künstliche Inzucht einen nationalen Kunstgeist
schaffen und fördern hilft.

Wohl die meisten dieser Russen haben in Paris,
vielleicht auch in München studiert, aber nur wenige
haben sich aus dem Ausland einen bestimmten Stil nach
berühmten Mustern oder bewährten Rezepten mitgebracht.
Zu diesen wenigen gehört Th. Botkine, der noch jetzt in
Paris lebt; er malt Oelbilder im Plakatstil, aber im
einfachen flächigen Stil des englischen, nicht im farben-
sprühenden des französischen Plakats, in der Behandlung
der Haare wieder folgt er Mucha. Im ganzen also
unerquicklich (auch was seine Farben-Accorde betrifft) hat

er im einzelnen manche Feinheiten; wie weich liegt z. B.
auf dem von uns reproduzierten Bild die linke Hand
auf der Brust! — Ganz offenkundig hat sich Somoff
von dem bizarren Aubrey Beardsley inspirieren lassen,
wenigstens in der Behandlung des Figürlichen; der land-
schaftliche Teil seiner Bilder ist eigenartiger und oft voll
starker Empfindung und scharfer Beobachtung. Auf dem
Aquarell „Ein Regenbogen" leuchtete das vom Regen
erfrischte Grün in der Sonne, hob sich der Regenbogen
mit einer Intensität vom dunkeln Grund der abziehenden
Wolken, daß man die ozonreiche Kühle der Luft und den
Duft der Wiesen in dem Bilde atmen zu fühlen glaubte.
Alexander Benois wieder hat sich, wie es scheint,
von Illustratoren wie Boutet de Monvel beeinflussen
lassen; seine Aquarelle, ausgetuschten Zeichnungen gleichend,
aber innerhalb der großen einfarbigen Flächen manch
feine leise Abtönung aufweisend, schildern mit Vorliebe
Ausschnitte des Parkes von Versailles. In der starren,
naturentfremdeten Pracht dieser majestätischen Anlagen,
als Staffage ein paar Höflinge Ludwigs XIV. oder
dieser selbst, alt und gebrochen, in den letzten trüben
und bigotten Jahren seines Lebens.

Einen ausgeprägt nationalen Zug trugen dagegen
die Figurenbilder Michel Nesterows. Die Episode
aus dem Martyrium der hl. Barbara ist in jener etwas
handgreiflichen Art gegeben, die, ein Charakteristi-
kum der älteren russischen Historienmalerei (Brülow,
Jwanoff), im Naturalismus Wereschtschagins einer-
seits, andrerseits in dem zugleich von alten Mosaiken
und Miniaturen beeinflußten Schaffen des hervor-
tretendsten der heutigen russischen Heiligenmaler,
Viktor Wasnetzoffs, sich fortsetzt. Das anmutigste
der Nesterowschen Bilder waren „Die Mönche",
deren schwarze Gestalten — der eine jung, schlank
und gerade, der andere dick, bucklig und alt —
genau im Profil gesehen, mit feinem malerischen
Humor in die schöne Frühlingslandschaft mit ihrem
grünsilbrigen Ton gestellt waren.

Das beste der ganzen Kollektion aber lag doch
auf dem Gebiet des Porträts und der Landschaft.
So einfach gesehen, so anspruchslos gegeben diese
Landschaften waren, es sprach echtes Naturgefühl
aus ihnen, sie gaben dem Beschauer das Gefühl der
Jahreszeit, der Atmosphäre und des Landes. Tiefe
Melancholie, die Hoffnungslosigkeit trüber Herbst-
tage lag über Isaak Levitans „Ewiger Ruhe",
einem kleinen Kirchhof auf niederer Hügelkuppe,
über die der Blick in eine eintönig grüne, von einem
bleigrauen Strom durchflossene Ebene schweift; und
dann wieder die ganze ungeduldige Freude des
nahenden Frühlings in desselben Malers „Letztem
Schnee", mit dem Blau des Himmels und des ihn
wiederspiegelnden Baches, dem Weiß des Schnees,
dem helleren Braun des schon freiliegenden Gras-
bodens und dem von violettem Schimmer über-
flogenem Rotbraun des noch kahlen Laubwaldes,
durch den der Bach sich hinwindet. Nicht unähnlich
im Motiv, aber wieder schwermütiger, düsterer in
der Stimmung ist Pourvits „Bach". Daß es
an Winderlandschaften nicht fehlte, erscheint selbst-
verständlich; die feinste, ein kleines Waldinterieur
mit einem Bauernhaus und einem Schlitten vorm
Haus, rührte von Konstantin Korovine her,

Spinoza.

Marc. Antokolsky tec.
 
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