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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Hugo von Habermann
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0131

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Hugo von Gabermgnn.

lAiloty, der einst mit Recht der berühmteste und meist

begehrte Lehrer der Münchener Kunstakademie war,
kann kein größeres Lob nachgesagt werden, als daß seine
Schule eigentlich keine rechte Schule gewesen. Denn so
ein echter und rechter Lehrer, der bezwingt seine Schüler,
predigt in sie hinein, modelt an ihnen herum und
stutzt sie so lange zu, bis sie alle, vielleicht mit Wider-
streben anfangs, dann allmählich ganz unbewußt freiwillig
das malen, was ihr Herr und Meister ihnen vorgemalt
hat, bis sie ganz aufgehen in den Kreis seiner Ideen
und seiner Form und Farbenanschauung. Davon ist bei
Piloty keine Rede; er war ein feiner Psycholog, kein
tyrannischer Jnnungsmeister. Nur die, bei denen er
keine selbständigen Regungen erkannte, die ohne ihn über-
haupt zu Grunde gegangen wären, leitete er in seine
Spuren. Den andern aber, die ihm eigenwillig und
selbstschöpferisch schienen, ebnete er den Weg, half er ihre
Ideen zur Erscheinung bringen, ihre Persönlichkeit ent-
decken. Und darum ist aus keinem andern Meisteratelier
eine solche Fülle von verschiedengearteten Talenten hervor-
gegangen. Eins nur hatten sie alle gleich gründlich
gelernt, das wichtigste freilich: das Handwerk.

Zu den großen Talenten, die sich in Pilotys Werk-
statt versammelten, gehört Hugo von Habermann. Wer
in der letzten Ausstellung der Münchener Secession seine
köstlichen Frauenbildnisse bewunderte, ohne den Studien-
gang des Malers zu kennen, dürfte einiger-
maßen erstaunt gewesen sein, zu hören, daß
dieser Maler zu Füßen Pilotys gesessen.

Und doch liegt für den Tieferblickenden nichts
verwunderliches darin. Denn, was an
diesen Bildern, Von Stoff, Geschmack und
Auffassung abgesehen, vor allem so imponiert,
das ist die Mache, die unfehlbare Sicherheit,
die souveräne Beherrschung der Technik. Was
so vielen modernen Malern mangelt, das
gewährt ihm die selbstverständliche Grund-
lage. Er ist ein Zeichner wie wenige und
immer Herr des Materials. Da giebt es
kein Tasten und Versuchen, keinen zwecklosen,
zufälligen Strich; breit und groß ist der
Pinsel hingesetzt, mühelos gleichsam, wie im
geistreichen Spiel. Dies starke Können war
von jeher Habermanns Eigentum. Man
vergleiche das im Besitze der Pinakothek be-
findliche Bild des Mönchs vom Jahre 1875
mit den Bildern vom Jahre 98, die dieses
Heft bringt, und man wird finden, daß,
wie sich auch sonst die Entwickelung des
Künstlers gestaltet hat, die Meisterschaft der
Mache damals die gleiche war, wie heute.

Nur wer auf so sicherem Boden steht, kann
sich ungestraft dem Strom seiner Empfin-
dungen hingeben.

Habermann hat niemals große Historie
gemalt. Sein etwas skeptischer Geist ist für
das Pathetische unempfänglich. Ein Zug
von Melancholie geht durch seine Kunst,
mitunter meint man gar etwas von Ver-
bitterung zu spüren. Das Sorgenkind, der
Kranke, die Pieta sind Bilder, die seine

Die Kunst für Alle XIV, 7. I, Januar I8W.

persönlichste Note tragen; alle drei von ganz hervor-
ragender Qualität. Das Sorgenkind besonders von ein-
dringlicher Wirkung. Eine Mutter im Zimmer des
Arztes. Selbst elend und kränkelnd sieht sie voll banger
Sorge zu dem Gelehrten hinüber, der das dürftige
Körperchen ihres Kindes untersucht; wie ein Kapitel aus
den Königen im Exil von Daudet. Eine Erzählung, die
verpönte Anekdote! Und doch, wie so oft, wirft hier
eine kräftige Faust die Theorie über den Haufen, die
Theorie „du sollst keine Novellen malen". Denn alles
ist innerhalb der Grenzen des Malerischen gegeben; die
Anekdote ist durch die Phantasie eines Malers gegangen
und in Form und Farbe umgesetzt worden. So sehr das
Stoffliche verschwinden machen, es so einzig ins Malerische
wenden, kann nur einem echten Künstler gelingen.

Aber mehr noch, als bei solchen Schilderungen,
treten Habermanns glänzende Eigenschaften hervor bei
der Darstellung einzelner Persönlichkeiten, zu der er sich
vorwiegend hingezogen fühlt. Doch seine Kunst ist zu
herb, als daß er jemals im eigentlichen Sinn ein Porträt-
maler nach dem Herzen des großen Publikums sein könnte.
Das Charakteristische interessiert ihn in erster Reihe,
nicht der sogenannte schöne Mann und das schöne Weib,
sondern der Rassenmensch. Scharf und unerbittlich prüft
er die Form und stellt sie dar, kein Beschönigen kennt
er, kein Glätten, kein Vertuschen, tief in die Seele

Bildnis. Hugo Lrhr. von habermann piux.

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