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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schölermann, Wilhelm: Wiener Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0139

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wiener Kunstausstellungen. von Wilhelm Schölermann.

Ernst Stöhr mit seinen tiefempfundenen, stimmungs-
reichen Mondscheinstudien und Bildern „Im Kahn",
„Das Weib", „Der arme Peter", durch die Heineschen
Verse angeregt:

„Und wenn ich still dort oben steh'

Dann steh' ich still und weine".

Das sind lyrische Gedichte in Farben von schwermütiger
Grundstimmung. Der aus Paris wieder nach Wien
übergesiedelte Eugen Zettel bringt fünf seiner zart-
getönten Landschaften aus der Bretagne zur Ausstellung.
Klimt, Moll, Engelhart sind charakteristisch vertreten
durch mehrere ihrer neuesten Arbeiten. Prof. Edmund
Hellmer (der Schöpfer des Schindler-Denkmals im
Stadtpark) durch zwei sehr gut ausgeführte Gipsbüsten
(„Porträt" und „Lampenträgerin") und eine Studie zur
Denkmalfigur des Grazer Bürgermeisters Frank. In der
Plastik hat auch Waclaw Szymanowski eine sehr
interessante Gipsgruppe von Paris eingesandt. Sieben
Aquarelle des Ehrenpräsidenten der Vereinigung, des
greisen Professors Rudolf von Alt, zieren zwei am
Eingänge aufgestellte Stafseleien. Es sind meistens
Pflanzenstudien, Ansichten vom Park in Schönbrunn,
eine Eisengießerei in Wien und Motive aus Gastein.
Auch Friedrich König hat Aquarelle zu einem Gelegen-
heitsgedicht ausgestellt nebst zwei feingetönten Landschaften
(Waldmotive) in Oel. Als hervorragendster Landschafter
darf diesmal der hochbegabte Ludwig Siegmund ge-
nannt werden. Sein Bild „Altstadt", mit einem Aus-
blick auf die Dächer von Wien in silberglänzendem Sonnen-
schein, ist ausgezeichnet. Johann Viktor Krämer
bringt Aquarelle von teilweise vorzüglicher technischer
Verve aus seinen Studienreisen in Holland und den
deutschen Hansestädten. Das frischeste in Farbe und
Leuchtkraft zeigt der gegenwärtig in München studierende

Alois Hänisch. Die Polen und Slaven sind durch
Axentovitsch, Falat, Stanislawski, Mehoffer, Lascezka,
Hynais und andere zum Teil interessant vertreten.

Auch Architektur zeigt sich in Entwürfen und Modellen;
der Oberbaurat Otto Wagner stellt ein Modell für
eine neue Akademie der bildenden Künste aus, reich mit
Gold und Figuren verziert. An den Planzeichnungen
und dem Modell sind mehrere der Schüler Wagners be-
teiligt, so Olbrich, Pletcnik u. a.

Noch einen Blick auf die kunstgewerbliche Abteilung.
Sie ist von Maler Moser und Architekt Hoffmann
arrangiert und bietet, neben dem Ausland, gute Wiene-
rische Arbeiten, besonders von Gustav Kürschner. Die
kleinen Bronzefigürchen (Leuchter, Schalen, Lampen)
dieses Künstlers, der in Paris eine gute Schule durch-
gemacht, sind sehr anmutig und haben etwas spezifisch
Wienerisches an sich. Adolf Böhm stellt Buchdeckel in
Ledermosaik aus (sehr farbig und originell empfunden)
und Rudolf Bacher Ringe und Schnallen.

Auch am Bau selber, den ich hier nur vom Stand-
punkte eines Ausstellungsgebäudes betrachten kann, sind
kunstgewerbliche Arbeiten zum Schmuck verwandt worden.
So des talentvollen Bildhauers Schimkowitz' Masken
und stilisierte Tierkörper; Mosers Glasbild „Die Kunst"
und Böhms in vergoldetem Stuck ausgeführte Lünetten
rechts und links in der Eingangshalle. Auch Kupfer-
arbeiten und Schmiedeeisen sind zur Dekoration verwendet.

Der Bau (Architekt Josef M. Olbrich) ist mit
all seinen Praktischen Lichtvorrichtungen, verschiebbaren
Zwischenwänden und anderen Vorzügen ein Aus-
stellungsgebäude für moderne Kunstwerke, wie man
es sich kaum besser vorstellen kann. Diesem Hauptzweck
sind alle andern Gesichtspunkte untergeordnet worden.
Aber als solches ist es eine glänzende reformatorische That.


Hier reproduziert mit frdl. Genehmigung der Herren Braun und Schneider in München.
 
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