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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Pecht, Friedrich: Genie und Talent in den bildenden Künsten
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0159

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Genie und Talent in den bildenden Künsten.

ganz besonders oft die Natur mit dem Modell, so in
Düsseldorf, wo Bendemann und Lessing darin wetteiferten,
auch alle Welt dadurch entzückten, um bereits heute
gänzlich vergessen zu sein. Denn gerade die Dauer-
haftigkeit seiner Schöpfungen ist die sicherste Probe auf
das Vorhandensein echten Genies. So war der einzige,
der damals ganz selbständig vorging, in Düsseldorf
Alfred Rethel, bei dem wir denn auch ja erst wieder
eine vollkommen eigenartige Welt aus dem Nichts hervor-
gerufen finden, während die damaligen Münchener Klassiker,
wie die Düsseldorfer Romantiker, ganz gleichmäßig ver-
gessen sind. Auch die Wiener Klassizisten, wie Rahl und
Canon sind es, denen bald nur der Pole Matejko als
wahrhaft schöpferisch zur Seite stand. Ihm folgte, wie
schon erwähnt, als das glänzendste, spezifisch malerische
Talent des Jahrhunderts, der Salzburger Makart, dem,
als Kolorist weit weniger ursprünglich begabt, aber gebildeter
und feinsinniger, der unglückliche Feuerbach vorausging, den
man in seinem vollem Wert eigentlich nur in der Schack-
Galerie kennen lernen kann. Gleichzeitig mit ihm,
der die antike Plastik besser in die Malerei übersetzte,
als es irgend einem Davidschüler gelang, arbeitete sich
langsam, aber sicher die jetzt neben Menzel eigenartigste
Begabung der Gegenwart empor, Böcklin, dem man die
Düsseldorfer Schule so wenig mehr ansieht, als irgend
eine andere, ein Maler, der außer ein paar Porträten
nie ein Stück Wirklichkeit geschildert und der dennoch
neben dem großen Realisten Menzel der eigenartigste
Künstler ist, den unsere Zeit hervorgebracht. —- Wir
haben Pilotys hier noch nicht gedacht, obwohl derselbe
wenigstens als Lehrer eine Begabung bewies, die seine
Schule zur größten gemacht hat, die wir je in Deutsch-
land besessen, und ans der nacheinander Lenbach, Makart,
Max, Defregger, Diez hervorgingen, die ihn an eigen-
artiger Schaffenskraft alle übertrafen. Auch sein Zeit-
genosse und Freund A. v. Ramberg ist origineller als
er, wie sein intimster Feind Franz Adam. Beide haben
vor ihm das spezifisch deutsche Wesen voraus, zu dem
seine italienische Abstammung es ihn .nie bringen ließ,
während es bei dem so lange ruhelos in der Welt herum-

Carstens sich erst in Berlin, dann in Rom
eigensinnig seine neue Welt aufbaute, ohne
sie je zur Anerkennung bringen zu können,
während der doch ganz dem ihn umgebenden
Leben zugewandte Chodowiecki es wenigstens
zum Berliner Akademiedirektor brachte und
jedenfalls als Menzels Vorläufer betrachtet
werden muß. Ueberhaupt bleibt bei dem
ewigen Wettkampf zwischen Genie und Talent
das letztere als das Verständlichere fast immer
im Vorteil. Auf Cornelius folgte bekannt-
lich Kaulbach, da sämtliche Nazarener über
die ziemlich leblose Nachahmung der großen
Italiener nicht hinauskamen. Aber auch
Kaulbach hat wenigstens seine immerhin
eigenartige Formenwelt, wenn sie uns auch
heute sehr wenig mehr anspricht und er
darum keinerlei Nachfolge fand. Ganz auf
eigenen Füßen steht indes erst wieder Schwind,
obwohl auch ihm die Vereinigung der alt-
deutschen Romantik mit der griechischen
Formenwelt, wie er sie anstrebt, keineswegs
vollständig gelingt, wenn er auch, wie sein
Zeitgenosse Ludwig Richter, eine neue, bisweilen wenigstens
naiv liebenswürdige Kunst schafft. Neben ihnen steht als
absoluter Realist nur der Münchener Peter Heß in ein-
samer Größe da, als der einzige spezifisch deutsche Künstler.
Derselbe fand es auch zuerst wieder der Mühe wert, die
Natur gründlich zu studieren. Denn es muß hier gleich
bemerkt werden, daß nichts unrichtiger ist, als wenn man
meint, das Genie führe notwendig wieder zur Natur
zurück, während es doch ebenso oft von ihr ableitet und
sich jedenfalls seine ganz eigene Welt für sich erschafft.
Um die Mitte unseres Jahrhunderts verwechselte man
dann, dank dem Einflüsse der Belgier und Franzosen,

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