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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischte Nachrichten - Kunstlitteratur u. vervielf. Kunst
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Personal- und Atelier-Nachrichten.

M München. Ludw.
Herterich, der seit etwa
anderthalb Jahren an der
Kunstschule in Stuttgart
wirkte, kehrt nunmehr nach
München zurück. Er hat
einen Ruf als Professor
an die Akademie der bil-
denden Künste erhalten
und angenommen. Wie
sein Weggang als ein Ver-
lust für das Münchener
Kanstleben empfunden und
beklagt worden war, so
begrüßt man nun mit
doppelter Freude seine
Rückkehr. Hervorragende
pädagogische Begabung
hatte Ludwig Herterich
schon hier in München,
bevor er nach Stuttgart
ging, reichlich bethätigt
und man darf sicher sein,
daß er den Platz, auf den
er jetzt berufen worden
ist, auss beste ausfüllen
wird. Aber auch in der
Künstlergruppe, der er seiner Art und Richtung nach angehört, rückt
er wieder in die erste Linie ein. Gehört er doch zu den markantesten
und tüchtigsten Vertretern der modernen Münchener Schule, dank
seiner streng aufs Reinmalerische gerichteten Kunst, seiner ausge-
reiften Technik, seiner ernsten künstlerischen Gesinnung. Daher in der
Fremde (aus" der es ihn immer nach München zurückgezogen haben
soll) sich selbst und den von ihm eingeschlagenen Wegen treu ge-
blieben, hat er erst wieder mit seinem neuesten großen Werk bewiesen,
dem „Ritter", der die letzte Ausstellung der „Secession" schmückte
und vom bayerischen Staat für die Neue Pinakothek erworben
wurde, wo sich schon zwei seiner früheren Arbeiten, der „Heilige
Georg" und der „Sommerabend" befinden. Durch eigentümliche
Größe der Stimmung und Kraft des Vortrags bedeutet der
„Ritter" einen neuen beträchtlichen Fortschritt in der Entwicklung
des Künstlers, wie sie aus jenen beiden und seinen anderen
früheren Werken sich erkennen ließ.

^ Prager Kunstbrief. Indem die heurige Sommer-
ausstellung im Rudolfinum — was die Prager Kunst betrifft —
eigentlich in der Gruppierung der unzähligen Porträts des prä-
potenten Herrn Jedermanns, der sein Antlitz in Thon und Farbe
verewigen lassen kann, um das großartige Riesenpanneau
„Urteil des Paris" von A. Hynais und ein Halbdutzend wirklich
hervorragender heimischer Werke herum bestand, wußte der
Künstlerverein „Manes" seine zweite heurige Veranstaltung im
Kunstsalon Topic merkwürdig gut zu differenzieren. Obzwar der
Verein seinen Namen nach dem eigentlichen Begründer und
Pfadfinder der böhmisch-nationalen Eigenart in der Kunst führt,
ist er keineswegs in diesem Sinne in seine Fuhstapfen getreten,
denn der von Joseph Manes aufgenommene Faden hat sich bis-
her sehr dünn auf die heutigen Tage herüber gesponnen; zur
Zeit hält ihn zwar der Gildenälteste im „Manes", der auch den
Lesern der „Kunst für Alle" im Bilde bekannte M. Ale! in
der Hand, aber für die meisten Jünger des „Manes" ist diese
Richtung in nichts zerronnen. Bei der Verehrung, welcher sich
Alel bei den „Jungen" erfreut, konnte man doch erwarten, daß
wenn es sich um die Ausschmückung eines Ausstellungsinterieurs
handelt, vor allem anderen mindestens zu dem höchst originellen,
von I. Manes nach den Volksmustern stilisierten und von Ales
zur größten Vollkommenheit ausgebildeten Ornamente gegriffen
wird und daß man etwas Neues sehen werde, aber leider wurde
man enttäuscht. Unsere „Jungen" zwitschern wie die Wiener-
Alten sungen, auch ihnen hal's die neuenglische, um die Ecke ge-
wickelte Hyperbeidekoration angethan, welche unlängst in Wien
zu großem Meinungs- und Personenaustausch führte. Und so
wurde man bei dem Eintritte in die Ausstellung recht banal
bewillkommt. Zum Glück konnte man sich für die englischen
Kurven vierter Ordnung reichlich entschädigen. Die Hausregel
der tüchtigen, im „Manes" vereinigten Leute lautet: seriöseste
Auswahl, die peinlichste Selbstkritik bei möglichster Liberalität.
Nur so wurde es möglich, daß dem wahren Kunstfreunde eine
wahre Augenweide und ein wirklich herzstärkender Anblick geboten
wurde. Als die beste Nummer muß eine reliesartige Plasnk von

Ludwig Kerkerirk.

Professor St. Sucharda „Skizze für die Dekoration des Hauses
eines Hyperproduzenten", ein ironisch-geistreicher Gedanke in
Packender Ausführung hingestellt werden. Durch einen weiten
architektonischen Bogen, vor dem zu beiden Seiten Arbeiter-
gruppen mit dem herbeigeschleppten Fabriksherrn postiert sind,
sieht man, wie die aus dem Rauche der Schlote im Hintergründe
verdichtete Gestalt der Hyperproduklion einen ausgemergelten
Arbeiter aus dem Felde zu Tode ringt. Die zweifache durch
die angedeutete Disposition bedingte Beleuchtung verleiht dem
Werke einen ganz eigenartigen Reiz. Der teils holzhauende,
teils holzpolierende Bilek, ein Anachoret und Mystiker unter
den Plastikern, stellte einen von den Snobbs angebeteten, aber
trotz aller Virtuosität der Technik unannehmbaren Christuskopj
und eine wegen ihrer immensen Tiessinnigkeit ganz unsinnige,
aber in der Figur ausnehmend gute Allegorie des Feldbaues
aus. Von den übrigen verdient noch S aloun (ein Reliefporträt)
genannt zu werden. Unter den leuchtenden, meistens von hoher
Sonnenfreude erzählenden Bildern nimmt den ersten Platz ein
weiblicher Akt ein, welcher mit dem Oberkörper unter eine Sonnen-
lichtdouche gestellt worden, und von I. Schusser, einem noch
ganz in dem Zauberkreise des Meisters sich befindenden Schülers
von A. Hynais herrührt. Derselbe junge Künstler hat in Her-
Ausstellung ein im ernsten Halbdunkel gemaltes Bildnis einer
mit den Bazilleneprouvetten hantierenden Universitätskapazität.
Eine in Farben prangende, im Pointillistengetüpfe ausgeführte,
originell und rein durch die Farbenflächen dekorativ wirkende
„Dekorative Füllung" mit einem vornehm stilisirten Mädchenakte
stammt von dem hoffnungsvollen Hofbauer. Recht ansprechend
wirkt ein männliches Porträt von Kcimar, distinguiert mutet ein
in der Gobelintechnik gemaltes „Abendlüstchen" von I. Preisler
an, sowie ein mit selten liquider Farbe von dem gottbegnadeten,
aber recht müßigen Nemeje hingeworfener Kopf eines Choden.
I. Uprka malt seine Aquarellen nur noch in der Prismafarben-
skala, seine derbe Farbengebung wird allmählich zu einer Farce
(„Die slowakische Spinnerin"). Daß die Hälfte der ausstellenden
Mitglieder den lieben Herrgott concipieren und komponieren
läßt und Landschaften malt, ist doch einleuchtend; aus der Plejade
der Landschafter ist mit der Zeit schon eine ganze Milchstraße
geworden. Recht gute, ja mitunter ganz prächtige Sachen, und
man müßte eigenttich eine ganze Reihe von Namen ansühren.
Die besten sind: Der in München zur Zeit impressierte L. Kuba,
B. Dvorak, O. Lebeda, A. Slavicek und Simunek. Sehr be-
merkbar machte sich der Archiv Kotera mit seinen phantastischen und
reellen Entwürfen. Nun bliebe nichts anderes zu wünschen,
als daß das Wasser, welches dem, an dem Ausstellungsplakate
von Hofbauer ertränkenden Künstler in den Mund strömt, in
der Praxis dem kauffähigen Amateur im Munde zusammen-
laufen möchte. Aber auch allhier in Prag ist der Griff in die
Tasche der allerschwerste. — Am 3. Dezember haben wir Ludek

Marold begraben, der
Darmtyphus hat die starke
Konstitution dieses jungen,
kaum 33jährigen Mannes
in Verbindung mit einem
tückischen Herzfehler über-
wunden und am 1. De-
zember, in derselben Woche,
in welcher seine letzte und
vielleicht eine der prächtig-
sten Illustrationen in den
„Fliegenden Blättern" er-
schien, mußten wir ihn
verlieren. Eine vornehme
künstlerische Natur scheidet
von uns, eine wunderbar
und originell schaffende
Hand ist erkaltet; mit
Marold geht eine ganze
Welt von köstlichen Em-
pfindungen und ausge-
suchten Kunstgenüssen ver-
loren. Der Verstorbene
hat seine Bildung in Prag,
München und Paris unter Pirner, Gysis, Löfftz und Galland
genossen, sein eigenartiges Talent schlug bald noch unbetretene
Pfade ein und Marold blendete in Paris durch seine köstliche
Zeichnungen, er wurde in kurzer Zeit zu einem der gesuchtesten
Begleiter der vornehmsten französischen Romandichter und zum
ständigen Illustrator der ,lIIuUi-Ltion<, >ll->qaro illuströe« u. a. m.

Ludek Marold,
('s Dezember 1898.)
 
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