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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Moderne Ehrenurkunden
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0172

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H. tukesch tec.

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« Ehren Urkunden

den letzten dreißig Jahren, die so bedeutungsvoll auf allen Gebieten des deutschen Lebens und so reich
^>1 an hervorragenden und verdienstvollen Persönlichkeiten sind, ist dem künstlerischen Schaffen zu besonders
reizvollen und intimen Aeußerungen auf einem Gebiete Gelegenheit gegeben worden, das vordem ziemlich brach
gelegen hat. In der ersten Hülste dieses Jahrhunderts hat man die Ueberreichung von Ehrenurkunden fast
nie geübt; in der Form, wie sie jetzt dargeboten werden, erweisen sie sich als ureigentümliche Leistungen der
zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts. Als ihre Vorläufer mögen die Wappenbriefe und Bestallungsurkunden,
die Bürger-, Meister- und Gesellenbriefe der älteren Zeit, wie überhaupt die Lust des Mittelalters an Minia-
turen und die leider allmählich verflachte Kunst der Briefmaler und Jlluministen zu betrachten sein; aber die
Urkunde in künstlerischer Ausführung als Ehrenbezeigung für eine Thütigkeit, die dem Staate und dem Ge-
meinwohl zum Segen gereicht hat, gehört in ihrer charakteristischen Form unserer modernen Zeit an. Mit
dem Aufschwung des politischen, sozialen und wissenschaftlichen Lebens, mit dem Aufblühen von Handel, In-
dustrie und Verkehr, mit der Zunahme der Ausstellungen während der letzten Jahrzehnte sind die Ehren-
urkunden und Diplome innig verknüpft. Insbesondere hat die deutsche Kunst aus dem allgemeinen Aufschwünge
unseres nationalen Lebens eine Fülle von Anlässen zur Herstellung von solchen Ehrenbezeigungen an große
Monarchen, scharfsinnige Staatsmänner und Strategen, Leuchten der Wissenschaft und Technik, weitblickende
Vertreter des Handels und des Gewerbes gefunden. Hatte man im Altertum den Oelzweig und den Lorbeer
als Ehrenbezeigung für das Verdienst um die Gesamtheit bevorzugt, so trat nun die Kunst ein, um den Ge-
fühlen der-Anerkennung, des Dankes und des Stolzes derjenigen würdigen Ausdruck zu geben, die sich der
fruchtbaren Arbeit großer und verdienstvoller Männer für das Allgemeinwohl bewußt geworden sind. Die
deutschen Maler schufen im Verein mit dem Kunstgcwcrbe um die Wette, um den Helden und Lieblingen der
Nation die Verehrung der Gesamtheit in farbenfreudigen Schöpfungen zu übermitteln.

Die Richtung, welche die Kunst nahm, begünstigte das Schaffen von Ehrenurkunden. Die Klein-
malcrei schwang sich zu neuer Bedeutung empor, Aquarell und Gouache gewannen an Breite und Tiefe, die
ornamentale Kunst kräftigte sich unter der Einwirkung der zu Ende der sechziger Jahre beginnenden
kunstgewerblichen Strömung und die Phantasie sog Nahrung aus dem Studium der künstlerischen Hinter-
lassenschaft der Altvordern. Ein neues Feld der Arbeit erschloß sich dem deutschen Künstler, auf dem er sich
mit Lust ergehen konnte. Für solche Kleinmalerei ist er im besonderen Maße befähigt. Schon in den
Tagen Schongauers, Dürers und Holbeins ist diese Hinneigung des deutschen Wesens zu intimen Dar-
stellungen zum berückendsten Ausdruck gekommen. Und was den Meistern der alten Kunst nachgerühmt wird,
warmes Empfinden, Sinnigkeit der Gedanken und ein Zug zur Phantastik, ist zum gut Teil den modernen
Meistern als Erbteil geblieben.


Die Kunst für Alle XIV, 9. 1. Zebruar 1899.
 
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