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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schultze-Naumburg, Paul: Die Komposition in der modernen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0213

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Die Komposition in der modernen Malerei.

welche Linien- und Flächenverteilung dadurch auf der Bildfläche
entsteht. Wie später zu erörtern ist, liegt gerade in der Art dieser
Verteilung der Hauptreiz der Schönheit der Erscheinung und auch
der Stimmung eines Werkes.

Ich möchte zunächst noch als Erklärung für den, der künst-
lerischen Fragen ferner steht, folgendes vorausschicken: Es lassen
sich zwei Arten von Darstellungen unterscheiden: solche, die irgend
etwas um seiner selbst willen abbilden wollen und solche, die
keinen andern Zweck erfüllen, als ästhetische Lustgefühle zu erregen.

Beide Arten lassen sich oft vereinigen, wenn auch der Schwerpunkt
sich stets der einen oder der andern Seite zuneigen muß. Ein
Beispiel für die erstere ist etwa die technische Darstellung einer
Lokomotive. Hierbei wird von ästhetischen Lustgefühlen nicht viel
die Rede sein und wenn auch im Bau einer Maschine oder eines
Schiffsrumpfes entschieden ästhetische Momente vorhanden sind (hier
in hohem Grad, dort rudimentär), so hat doch die erwähnte Art
der Abbildung sich diese nicht zum Ziel gesetzt. Das „Wie" ist
ziemlich gleichgültig, so lange dem „Was" Genüge gethan ist. Ist
der Gegenstand klar auf die Fläche projiziert, so ist es gleichgültig,
wo man diese Flächen begrenzt. Zweckmäßig wird man es so thun,
daß der ganze Gegenstand daraufgeht, ja noch etwas mehr Raum
lassen, ohne indessen die Flächen weiter auszudehnen, als gerade
notwendig. Hier sängt bereits an der Geschmack zu entscheiden,
die Frage sich also dem künstlerischen Gebiet zuzuwenden.

Gerade das entgegengesetzte Beispiel würde das Ornament
sein. Hier hat nur noch die schmückende Funktion das Wort; das
„Was" tritt vollkommen in den Hintergrund und gewinnt höchstens symbolische Bedeutung. Bei abstrakten
Kunstwerken werden natürlich dessen rein seelische Werte die Führung übernehmen; nur eben werden diese zum
nicht geringen Grade durch die Erscheinungsform ausgedrückt, sind also von der Art der Komposition in Linie
und Farbe abhängig.

Der Deutlichkeit halber führte ich vorhin für die erstere Art ein Beispiel aus dem technischen Gebiet
an; ein solches, das sich mehr der bildenden Kunst nähert, wäre etwa eine der bekannten Veduten irgend
einer an sich schönen Gegend. Es giebt Gegenden oder Gegenstände, deren Formen oder Farbenschönheit
außer aller Frage steht. Und doch braucht eine noch so getreue Darstellung als solche nicht unbedingt
irgend welche künstlerische Momente zu besitzen; mögen auch die dargestellten Dinge, also meinetwegen eine

interessante Architektur, unser höchstes
Wohlgefallen erregen: die Darstellung an
sich braucht es nicht zu thun.

Bei den Abbildungen der elfteren
Art ist es also ziemlich gleichgültig, wie
die Natur auf die Fläche projiziert ist.
Bei der Lokomotive wird niemand davon
reden, das Bild sei „schlecht komponiert",
so lange nur der ganze Gegenstand gut
übersichtlich daraufgeht.

Ganz anders bei der andern Art.
Beim Ornament etwa ist das „gut kom-
poniert" so viel wie alles. Wie dasselbe
den Raum gliedert, ist die Hauptfrage und
so wird auch bei Bildern hinsichtlich der
Komposition, das die Hauptsache sein, wie
der Bildrahmen mit farbigen Flächen oder
Linien gefüllt ist. Die nebenhergehende
sachliche Darstellung ist ja nicht ausge-
schlossen, nur hat sie mit dem künstlerischen
Wert der Komposition oder der Bilder-
Siorgione xmx. scheinung nichts zu thun.

Antigone.

Reproduziert nach dem Stiche von Mandel.
 
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