Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

DOI Artikel:
Mortimer, Richard: Berliner Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0285

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
220

Berliner Brief. Von Richard INortim er.


L. von Hofmann pinx. (189?)

erworben. Es läßt sich darüber streiten, ob damit der Künstler
gerade am glücklichsten repräsentiert ist, doch kenne ich nicht die
Gründe, welche die Verwaltung von der Erwerbung eines anderen
Bildes abhielt. Von Skarbina finden wir das kleine Werk
von der vergangenen Berliner Ausstellung, jenes strömende
Wasser zwischen Hütten, welches wohl in Dachau entstanden ist
und den Künstler aufs sympathischste repräsentiert. Die Erwerbung
der „Sünderin" des verstorbenen Nikolaus Geiger ist wohl
mehr als Akt der Pietät aufzufassen, als daß es gerade die
Kunstgeschichte diktierte. Eine Anzahl Zeichnungen und Entwürfe

noch eines Verstorbenen, des Amerikaners Wenban, schließen die
Reihe der deutschen Künstler. Als Geschenk eines Kunstfreundes
findet sich noch in der Ausstellung eine kostbare Nadelmalerei
eines unbekannten japanischen Künstlers in Form eines Wand-
schirms. Die deutschen Künstler der angewandten Kunst können
daran lernen. Denn so naturalistisch in gewissem Sinne die
Darstellung auch ist, so fällt sie nirgends aus dem Stil des
Materials heraus; es ist nicht die kleinste Stelle zu finden, in
der nicht die Technik der Stickerei das Wort behielte und in
der dcr Versuch gemacht wäre, die Wirkung eines anderen
Materials nachzuahmen.

An allen Orten hat man anerkannt, daß die Leitung
der Berliner Museen eine geradezu vorbildliche ist und
seitdem v. Tschudi das Direktorat der Nationalgalerie
übernommen, gilt das auch von dieser. Trotzdem ist jetzt
wieder einmal im Landtage von allerhand Laien, die, wie
ein Abgeordneter fein motivierend sagte, „ja aus allen
Gebieten Kritik üben", über die Verwaltung im allge-
meinen hergezogen worden und über die der National-
galeric im besonderen. Hat einmal ein gütiges Schicksal
die Behandlung künstlerischer Fragen in Preußen in die
richtigen Hände gegeben, so sind auch schon Leute da, die
sich berufen fühlen, den guten Fortgang zu stören. Nur
gut, daß es auch in des Landtags Macht nicht steht, die
Kunst und ihren Weg zu beeinflußen. Mögen sie jetzt
auch wieder einmal aller Welt zur Evidenz beweisen, daß
Kunstgefühl und Achtung vor dem Künstler in Deutschland
herzlich wenig zu finden — hat sich die Kunst durch die
Zeiten bis heute siegreich durchgerungen, so können ihr
auch diese neuesten Widersacher nichts anhaben- Stuck
und Hildebrand sind bis jetzt auch ohne Landtag und
Reichstag zu Weltruf gekommen und die Hochachtung vor
der Berliner Museumsverwaltung ist über Deutschlands
Grenzen gedrungen. Die Entwicklung wird auch weiter
ihren Verlaus nehmen und gelassen die zur Seite schieben,
die sich ihr in den Weg stellen.

Aphorismen, s-

Woher dies Wogen ohne Ende,

Dies Gähren, das durch alles geht?

Weil stets um des Jahrhunderts Wende
Der Zug des Geistes freier weht.

A. 5tier.

Jetzt ist die Zeit, wo doppelt Wert behält
Im Reich der Kunst und sonst rings in der Welt
Das Goethewort: „Erlaubt ist, was gefällt!"

A. Stier.


t. von Hofmann 6el.
 
Annotationen