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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Personal- u. Atelier-Nachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Denkmäler - Vermischte Nachrichten - Kunstlitteratur u. vervielf. Kunst - Vom Kunstmarkt
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Uunstlitteratur und vervielfältigende Kunst. — vom Kunstmarkt.

255

vor den übrigen „Jahreszeiten", welche bald als Geschwister
unserer „Ruth" folgten! Während gleichzeitig mit ihm die
eigensinnig nur ihrem Kopf folgenden Böcklin und Feuerbach
noch lange hungern konnten, wie Overbeck und Cornelius vor
ihnen, so war die Carriere unseres Kopf eine ununterbrochene
Reihe von Erfolgen, da er niemanden durch seine Grundsätze
ärgerte, sondern aller Welt durch seine bald liebeslustigen, bald
frommen, immer aber hübschen Mädchen gefiel. Denn von der
Brutalität eines Michelangeloschen Moses hielt er sich kluger-
weise ebenso ferne, als von der abschreckenden Frömmigkeit der
Neu-Romantiker. Auch um die Politik bekümmerte er sich als
guter Deutscher zunächst gar nicht. So konnte es geschehen, daß
er Garibaldi in Neapel einrücken, die Oesterreicher aus Mailand
abziehen sah, ohne dag dies die Interessen des Ateliers Kops in
Rom irgendwie benachteiligt hätte. Dafür heiratete unser all-
mählich ein berühmter Mann in Rom gewordener Schwabe jetzt
und war dabei, wie es scheint, ebenso glücklich als in allem
anderen. Um so mehr als sich der Kern seines Talentes, eine aus-
gesprochene Begabung zur Büstenarbeit, immer deutlicher heraus-
,lellle und ihm die Kundschaft aller der reichen Fremden ver-
schaffte, die Rom zu besuchen und sür sich selber doch immer noch
mehr als sür Raffael und Michelangelo zu schwärmen pflegen.
Höchst interessant ist es, in unserem großenteils in Tagebuch-
auszügen bestehenden Buche wahrzunehmen, wie aus dem ehr-
lichen Steinhauer allmählich ein sehr gewandter Weltmann wird,
der dadurch aber an Anziehungskraft keineswegs verliert. Auch
die Reize der päpstlichen Herrschaft lernt er jetzt durch einen sehr
langwierigen Prozeß kennen, den er der Freundschaft eines
biederen Landsmannes verdankt. Vor der schließlichen Ver-
urteilung rettet ihn nur das Einrücken der Italiener in Rom
1870 und der kräftige Schutz des deutschen Gesandten dort, was
ihm denn auch die Vorteile der Errichtung des deutschen Reiches
erst besonders klar zu machen scheint. Erquicklich ist sodann die
allmähliche Umwandlung des römischen Kosmopoliten in einen
gut patriotischen Deutschen, die wir alsbald vor sich gehen sehen.
Im Sommer etabliert der Künstler sich immer in Baden-Baden,
wo er seine Büstenarbeit mit besonderem Erfolge betreibt und
sich bald des überaus wirksamen Schutzes, erst des großherzoglich
badischen Hofes, dann selbst des alten Kaisers erfreut, was sehr
interessant zu lesen ist. Mit dem Tode des alten Herrn verliert auch
unser Schwabe, selber alt und reich geworden, die Lust am Weiter-
arbeiten und beschließt eine Künstlerlaufbahn, deren einfache Dar-
stellung seinem Buche unstreitig einen ungewöhnlichen Reiz giebt.

6. Or. Vom Tode. II. Teil. Zwölf gestochene
Kompositionen von Max Klinger. (Berlin, Amsler L
Ruthardt. 900 M.) Einige Worte zur Einführung des zweiten
Teiles jener großen Klingerschen Folge, die den Titel „Vom
Tode" führt, zu sagen, mag überflüssig erscheinen. Seit 1889
etwa liegen fünf von den sechs Blättern, die jetzt als erste
Hälfte des Ganzen ausgegeben sind, vor; sie sind oft besprochen,
auch abgebildet worden; man hat allerlei in sie hineingeheimnist,
und hat darüber vielleicht die Würdigung des rein Künstlerischen
vernachlässigt. Unter allen Folgen des reichen Klingerschen Werkes
hat sich keine eine solche Popularität errungen, wie gerade diese:
und wollte mau durch Abstimmung entscheiden, welches Blatt
des Meisters am meisten geschätzt wird, so würde sich ohne Zweifel
die Mehrzahl der Stimmen auf das diesem Cyklus angehöcige
„An die Schönheit" vereinigen. Und die öffentliche Meinung,
die so manches Mal abirrt, hätte in diesem Falle einmal das
rechte getroffen. Nirgends hat der Künstler einer tiefen Em-
pfindung so abgeklärten Ausdruck gegeben, und eine volle Stim-
mung in der Herrlichkeit der Natur so zum Wiederklang gebracht.
Wenn in irgend einer Schöpfung, so kommt Klinger hier Böcklin
nahe. Auch die übrigen Blätter: „Und doch!" „Mutter und Kind",
„Versuchung", „Zeit und Ruhm" erfreuen sich verdienten Rufes.
Wenn auch nicht frei von Seltsamkeiten, die einem geläuterten
Geschmack zu Ausstellungen den Anlaß böten, entschädigen sie
durch die Kraft und Energie des Ausdruckes und die stecherische
Meisterschaft, mit der der Künstler seine sich in erhabenen Vor-
stellungen bewegenden Gedanken zum Ausdruck bringt. Wenn
auch die jetzige Ausgabe der Stiche den Feinheiten der graphischen
Kunst Max Klingers wohl gerecht wird, so muß man doch die ersten
Drucke, die der Künstler angefertigt hat, vor Augen haben, um
ihre höchsten Feinheiten zu genießen. In den früheren Drucken
ist alles weicher, die Gegensätze zwischen Schwarz und Weiß sind
zarter; man kann es besonders deutlich durch Vergleich bei dem
Blatt „An die Schönheit" beobachten, wo die Wirkung der gegen
das Wasser gesehenen Bäume hier und dort ganz verschieden ist.
Neu hinzugekommen in der jetzigen Ausgabe und wohl den

meisten unbekannt ist das Blatt Nr. VII „Elend"; es trägt das
Datum 1892. - Die ins Joch der harten Arbeit gespannten
Menschen — sie ziehen den Karren, den ein riesiges Prachtkapitäl
schwer belastet — rasten einen kurzen Augenblick und laben sich,
ohne daß ihr Nacken vom Riemen befreit wird. Schwere Arbeit
und das stete Elend ihrer Lage haben ihre Züge stumpf gemacht.
Vor ihnen steht, zum Beschauer im verlorenen Profil, ein eisen-
harter Mann, wie eine Verkörperung der ehernen Notwendigkeit,
und knotet die Geißel. Er allein steht vor den Kauernden; schon
dadurch dominiert er in der Komposition. Hohe dunkle Stämme
bilden die Mitte; sie lassen den Blick frei gegen den Grund, wo
man gegen den Horizont die Menschen und Pferde, Zugtiere sie
beide, sich abmühen sieht. Ich wage nicht, den Gedankengang
des Künstlers, weder in diesem Blatt, noch wie er die sechs
Blätter der Folge verbindet, interpretieren zu wollen. Um als
künstlerische Leistungen verstanden zu werden, bedürfen sie eines
Kommentars nicht. Elend der Menschen, Jammer der Unter-
drückten ist in unserem Jahrhundert oft künstlerisch geschildert
worden; realistischer, herber; aber Klinger läßt seine Darstellungen
austönen in dem schönheitsfrohen Wohlklang: „An die Schönheit".

— München. Ende Mai findet unter Leitung der Kunst-
händler Hel bing und Riegner Hierselbst die Versteigerung der
Gemäldesammlung des Verlagsbuchhändlers Albert Langen
statt. Die Sammlung umfaßt hervorragende Werke bedeutender
niederländischer, deutscher, italienischer, französischer und eng-
lischer Meister. l»8isi

— London Auf der Versteigerung der Sammlung
Broadwood wurden folgende gute Preise erzielt: N. Lancret
, IV-tL cbampetre" (52350 M), A. Watteau „U'.Vccorckee cku
Village" (26850 M.), F. Boucher „Porträt eines jungen
Mädchens in Blau und Weiß" (2270t) M), S. Ruysdael
„Scheveningen" (18830 M.), I. van Ravenstein „Porträt
einer Dame in Schwarz" (12840 M), J.B. Pater „Hochzeits-
gesellschaft" (10 700 M.). lssiöl
 
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