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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Voll, Karl: Die Reform der deutschen Kunstvereine, illustriert am Münchener Verein
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0333

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von vr, Karl voll.

2S9


Ein weiterer sehr heikler Punkt ist die Beiziehung
auswärtiger Künstler, die vielleicht gar nicht dem Kunst-
verein angehören. Die Statuten gestatten, daß das
mitunter geschehe, nur wollen sie keine Regel daraus
gemacht wissen. Dem Publikum wäre zwar sehr damit
gedient, besonders in den langen Wintermonaten, wo in
München das Kunstleben sich nach außen wenig geltend
macht, aber unter den Künstlern, vor allem unter den
Mitgliedern der Künstlergenossenschaft, herrscht wenig
Sympathie für die Zulassung von Auswärtigen, indem
sie den Münchener Kunstverein als eine spezifisch Mün-
chener bezw. bayerische Einrichtung betrachten, die nur
Münchenern und Bayern zu gute kommen soll. Ein schönes
Sprüchlein gilt auch hier: „O Herr, gieb Regen und
Sonnenschein auf Reuß, Greiz, Schleiß und Lobenstein,
Und wollen die andern auch was haben, so sollen sie es
dir selber sagen." So weit braucht der Partikularismus
in der Kunst nicht getrieben zu werden. Wenn der Verein
gelegentlich einmal von auswärts Kunstwerke kommen
ließe, die ja vielleicht vom Ankauf durch Vereinsmittel
ausgeschlossen werden könnten, so würde er auch in öden
Monaten anregend wirken. Diese Anregung aber gehört
auch zu seinen Zielen. Er hat ja keineswegs als einzigen
Zweck die Verteilung einer gewissen Summe an bayerische
Künstler. Wenn aber dieser Vorschlag, mitunter frische
Elemente von auswärts einzuführen, in Praxis treten soll,
so müßte immer ein Mitglied des jeweiligen Vorstandes
damit betraut werden, von Zeit zu Zeit fremde Künstler
beizuziehen, denn freiwillig kommen diese nicht zu uns.

Einen Gegenstand des hitzigsten Streites bildet das
moderne Kunstgewerbe. Bis jetzt war es üblich, daß
größere Silberarbeiten, künstlerisch ausgestattete Adressen,
Entwürfe für Büchereinbände im Kunstverein ausgestellt
wurden; aber solche Fälle waren erstens nicht gar zu
häufig und zweitens wurden keine kunstgewerblichen Aus-
stellungen von großem Umfang veranstaltet. Dem so-
genannten modernen Kunstgewerbe wurde das Thor zwar
nicht direkt verschlossen, aber es wurde ihm nicht auf-
gemacht. Nun bildet erfahrungsgemäß das Kunstgewerbe,
seitdem es sich auf den Jahresausstellungen zum ersten-
mal eingefunden hat, einen Hauptanziehungspunkt und
seine kleinen Erzeugnisse, die ja meistens recht billig sind,
finden reißenden Absatz; das erregt bei den eigentlich
bildenden Künstlern einige Beunruhigung. Sie fürchten
von dem jungen Rivalen überflügelt zu werden und wollen
nicht zugeben, daß ihm der Kunstverein geöffnet werde.
Es ist nun nicht recht ersichtlich, warum in dieser Frage
die Künstler allein mitsprechen sollen, zumal sie die
Minderzahl der Vereinsmitglieder sind. Die Laien haben
doch auch ein Recht, zu äußern, was sie gerne sehen
wollten. Das Kunstgewerbe bildet einen sehr wichtigen
Faktor im heutigen Kunstleben und es wäre darum sehr
gut, wenn der Verein sich seiner annehmen wollte. Hier
ist eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen und, wenn irgendwo,
so hätte er hier eine Gelegenheit, unmittelbar in das
Leben eiuzugreifen, während er bis jetzt um ein Jahr-
zehnt hinter der allgemeinen Kunstentwickelung daherhinkt.

Es ist leider eine Thatsache, daß der Verein wenig
Sympathien mehr genießt und daß man ihn vielfach
nicht recht ernst nimmt. Daran trägt der Umstand Schuld,
daß er das ganze Jahr geöffnet ist, obwohl doch in den

Sommermonaten, vor allem in den sogenannten Ferien-
monaten, wenig Aussteller und Besucher mehr kommen.
Während dieser ganzen Zeit lastet auf ihm die Ungunst
des Vergleichs mit den Jahresausstellungen. Es wäre
darum viel rationeller, ihn während der Ferienmonate
überhaupt zu schließen. Man würde einiges Geld dabei
sparen, vieler üblen Nachrede entgehen und könnte in der
Zwischenzeit genügend Material beibringen, um im Oktober
mit einer guten Ausstellung die Wintersaison zu eröffnen.
Sein Ansehen würde bei solchem Betriebe nur gewinnen.

Die Vereinsgeschenke sind endlich auch ein nicht
gerade erquicklicher Streitpunkt. Sehr viele Mitglieder
verzichten gerne auf die jährliche Prämie; andere freuen
sich darüber und erwarten sie, um wenigstens eine kleine
materielle Entschädigung für ihren Vereinsbeitrag zu
erhalten. Im Münchener Kunstverein besteht die Sitte,
eine Radierung oder einen Kupferstich als Prämie zu
überreichen und zwar haben diese Blätter gewöhnlich eine
namhafte Größe. Abgesehen von dem oft recht zweifel-
haften Werte dieser Stiche, ist gerade ihr großer Umfang
sehr lästig. Was soll man mit ihnen beginnen? Man kann
sie doch nicht alle einrahmen lassen und an die Wand
hängen. Sie in eine Mappe zu legen, hat auch nicht
sehr viel Sinn, ganz abgesehen davon, daß viele Vereins-
mitglieder sich mit würdiger und bequemer Unterbringung
der Mappe wohl etwas schwer thun werden. Jedenfalls
dürfte das Vereinsgeschenk ein wenig an äußerem Umfang
abnehmen. Außerdem ist es gar nicht nötig, alle Jahre
das Gleiche zu geben. Der Hamburger Kunstverein gab
vor Jahren einmal zum großen Dank seiner Mitglieder
ein Buch von Lichtwark über Hamburger Kunst, das
eigens für den Verein geschrieben wurde und ein er-
wünschter Beitrag zur modernen Kunstgeschichte war.
Eine ähnliche Schrift vom gleichen Verfasser über das
Hamburger Bildnis ist ihm bereits gefolgt. Was in
Hamburg geht, läßt sich auch in München durchführen.
Dann ist es auch ein lästiger Umstand, daß im großen
und ganzen dieselbe Reproduklionsmethode beibehalten
wird und obendrein eine Methode, die zwar von sehr
vielen hochgeschätzt, von nicht wenigen aber ungern ge-
sehen wird. Unsere mechanischen Reproduktionsverfahren
haben den Vorzug der größeren Treue und außerdem
arbeiten sie so elegant wie der Kupferstich oder die
Radierung. Wenn neben dem Kupferstiche auch Photo-
graphien, Lichtdrucke und Photogravüren zugelassen würden,
dann könnte viel mehr Leichtigkeit in den Betrieb gebracht
werden, vor allem würde man viel mehr Möglichkeit
haben, ein Geschenk zu finden, das den meisten Mit-
gliedern eine Freude macht. Die ganze Kunst der früheren
Jahrhunderte und der Jetztzeit würde ihre Schätze zur Ver-
fügung stellen; man könnte Reproduktionen nach Kupfer-
stichen und Holzschnitten Dürers oder nach Radierungen
Rembrandts verteilen, von moderner Kunst kleine Mappen
arrangieren, interessante Bücher ausgeben, kurz es wäre
wieder frisches Blut zugeführt. Der Verein hat „den
Zweck, Kenntnis und Liebe der Kunst unter seinen Mit-
gliedern zu verbreiten und durch seine Mittel förderlich
auf dieselbe einzuwirken". Richtige Auswahl des Vereins-
geschenkes, die nicht allein darauf sieht, einige Kupfer-
stecher zu unterstützen, würde diesem Zwecke sehr ent-
gegenkommen.
 
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