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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schumann, Paul: Konstantin Meunier
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0341

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von Paul Schumann.

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Bronzerelief.

Stils. Von den Zufälligkeiten der Details sieht er ab,
er schafft Typen in seinen Gestalten; die überzeugende
Kraft aber, die ihnen innewohnt, ruht auf dem eifrigsten
und tiefsten Naturstudium, die jedes konventionelle Schaffen
ausschließt. Seine Gestalten vertragen die peinlichste
anatomische Nachprüfung; seine Bergarbeiter, seine Land-
leute, seine Schiffer, seine Holzhauer u. s. w. unterscheiden
sich in ihrem Körperbau so genau voneinander, wie sie
die Natur gemäß dem verschiedenen Milieu, der ver-
schiedenen Arbeitsweise voneinander auch körperlich unter-
scheidet.

Noch ein Wort über Meuniers Reliefs. Der
Künstler beherrscht den Reliefstil in erstaunlicher Weise.
Das Hilfsmittel der Aufrollung des Vorgangs kommt
für ihn fast gar nicht in Betracht; die kühnsten Deckungen,
Verkürzungen und Ueberschneidungen erscheinen bei ihm
wie selbstverständlich, mit solcher Geschicklichkeit und
Sicherheit sind sie vorgenommen. Man sehe daraufhin
die „Ausfahrt der Bergleute" an, die sich überdies durch
eine geradezu klassische Ausfüllung des Raumes aus-
zeichnet. Derartige Reliefs mit idealem Hintergrund
macht Meunier aber seltener. In den meisten Fällen
braucht er ihn in echt moderner Weise als stimmung-
gebendes Element; so in gewaltiger Weise aus dem Relief
oer Meerarbeiter, einer großartigen Stimmungslandschast
mit Wellen und Wolken, in der man den Sturm förmlich
daherbrausen hört. (Dargestellt ist der Bau von Wellen-
brechern aus Steinen und Faschinen, wobei die gewaltig
arbeitenden Pferde in die Wellen Hineinschreiten müssen.)
An dem Hochrelief der „Puddler" (die eine geborstene
Wanne mit glühender Glasmasse aus dem Glutofen auf
einen eisernen Wagen ziehen) sieht man, abgesehen von

der überall auch sonst zu Tage tretenden Wahrheit der
Beobachtung und der Energie der Auffassung, besonders
auch die geschickte Ausnutzung des einfallenden Lichtes,
um den malerischen Effekt zu steigern. Die beiden
Reliefs, welche wir auf einer der Beilagen dieses Heftes
abbilden, sind Teile des großartigen Denkmals der Arbeit,
mit dem Meunier seine Arbeiten krönen will. Vier große
Reliefs (Industrie, Landwirtschaft, Bergbau, Hafen) am
Unterbau, dazu vier Einzelfiguren auf den Ecken des
Unterbaus und eine bekrönende Gruppe von zwei bis drei
Gestalten: das ist der Plan dieses großartigen Werkes,
zu dem jetzt zwei Reliefs fertig sind. (Die Meldung der
Zeitungen, die Vollendung des genannten Denkmals stehe
unmittelbar bevor, ist durchaus unrichtig.) Von Meuniers
Kunst, lediglich mit den Mitteln der Plastik hier eine
sonnige, dort eine trübschwere Stimmung zu veranschau-
lichen, geben die beiden fertigen Reliefs ein überzeugendes
Beispiel.

Konstantin Meunier ist ein glänzendes Beispiel, wie
eiserner Fleiß und unablässige Energie endlich zum höchsten
Ziele führen; seine Kunst zeigt den wahren Weg, von der
Antike zu lernen, ihre ewigen Gesetze mit den Forderungen
der Gegenwart ohne Rest zu verschmelzen. Möge es
dem Künstler, der mit 68 Jahren noch so rüstig an
seinen großen idealen Aufgaben schafft, vergönnt sein,
sein Denkmal der Arbeit, mit dem er sein Lebenswerk
krönen würde, im vollen Umfange zu vollenden.

Ausfahrt der Bergleute. Konst. Meunier 5eo.

Bronzerelief.

(Mehr über Meunier findet man in dem großen Werke von Edmond Louis de Taeye .ves ^rtistes Leides Loatemporaios-
Brüssel 1894; außerdem sei genannt die Schrift „Konstantin Meunier" von Georg Treu, 26 S. mit 37 Abbildungen, Dresden,
Emil Richter, 5 M.; Photographien der Werke des Meisters sind vom Kunstverlag Bruno und Paul Cassirer in Berlin zu beziehen.)

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Die Annst für Alle. XIV.
 
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