Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

DOI Artikel:
Schumann, Paul: Deutsche Kunstausstellung Dresden 1899, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0352

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Deutsche Kunstausstellung Dresden 9899.

279


fünfzig Oelgemälde, zweihundertsechzig Aquarelle, Pastelle
und Zeichnungen, dreihundertneunundfünfzig Radierungen,
Lithographien und Holzschnitte, dreihundertzwei Bild-
werke, darunter je eine Sonderausstellung von Adolf
Hildebrand in München, Max Klinger und Karl
Seffner in Leipzig.

Das erste, was uns beim Besuch einer Kunstaus-
stellung berührt, ist ja das Ganze in seiner Farbenstim-
mung und Anordnung. Dieser erste Gesamteindruck ist hier
überraschend und bedeutend. Besonders in dem künstlerisch
fein empfundenen farbigen Gesamteindruck dürfte sie bisher
noch nirgends ihresgleichen gehabt haben. (Das Haupt-
verdienst hierbei kommt Gotthard Kuehl und dem
Architekten Julius Gräbner zu, welche gemeinsam den
Plan des Ganzen entworfen und die Ausführung bis
in alle Einzelheiten überwacht haben.) Die Farben-
anordnungen, die hier versucht sind, können und sollen
auf den Farbensinn der Besucher erzieherisch wirken.

Der Eintrittskuppelraum trägt das heitere Gepräge
einer Gartenhalle, deren Wände mit ausgeschnittenem grün
gestrichenem Holzwerk bekleidet sind. Eine lichte Farben-
freude beherrscht ihn. Am Fußboden giebt der Rasen
mit seinem dunkeln Grün, belebt durch rote und gelbe
Tulpen, den Hauptton an; das hellgrüne Holzwerk mit
den vollbelaubten dunkeln goldfrüchtigen Bäumen in den
vier Nischen setzt den Accord fort, in der lichtgrünen Tö-
nung der Säulen klingt er aus. Wirft die Sonne durch
die blaugetönten Fenster der Kuppel ihre Lichter herein,
so ergeben sich überaus reizvolle, aus der Flucht der Säle
gesehen geradezu zauberhafte Wirkungen, besonders in Ver-
bindung mit der effektvollen Gruppe des elektrischen Fun-
kens von Reinhold Begas, welche den Raum trefflich
beherrschend in seiner Mitte steht.

Vier Sprüche von Ferdinand Avenarius über den

Nischen erzählen bedeutungsvoll vom Wesen der Kunst
und ihrem Genießen:

Kunst, was magst Du geben?

Arbeitswochen als Feste zu leben.

So viel Meister Du lernst versteh'«,

So viel Augen gewinnst Du zum Seh'n.

Scheust Du die Kunst ohne Kleider?

Gott der Herr ist kein Schneider.

Kunst ist die Pforte am Haus der Natur,

Bleib' nicht im Thorweg. durchschreit' ihn nur.

Die große Skulpturenhalle mit ihren hochliegenden
Fenstern, die unten einen genügenden Wandraum frei-
lassen, bedeutet im Vergleich zum Vorraum eine kraft-
volle Steigerung: ein volltöniger Farbenaccord ist hier
angeschlagen: das satte Rot des Fußbodens, das Gelb
der durch flache Wandpfeiler in Felder geteilten Wände
und der blaue Fries darüber nebst den dunkelgrünen Lor-
beerbäumen gehen prachtvoll zusammen und bilden für die
zahlreichen meist einfarbigen Bildwerke in Bronze, Mar-
mor und Gips auf den kräftig blauen, roten oder grünen
Postamenten einen wirksamen Hintergrund. Auch hier
sind die hohen Fenster im Hinblick auf die Harmonie der
Wirkung blau getönt; und auch hier bringt die Sonne
am Morgen und am Nachmittag köstliche Lichtwirkungen
hervor. Im Jahre 1897 war diese große Skulpturen-
halle von Wallot als Garten behandelt und waren die
Wände mit Tannenzweigen verkleidet; in diesem Jahre
war eine andere Behandlung schon deshalb nötig, weil die
Halle inzwischen gedielt worden ist. Im vorderen Teile
der Halle beherrscht Rudolf Maisons großer Bremer
Brunnen mit dem glückhaften Schiff den Raum; das in
das Becken laufende Wasser erhöht den Reiz der Stim-
mung. Hinter dem Brunnen erhebt sich in Frieshöhe
der Nnterwand eine Estrade, zu der links und rechts
Treppen emporführen. Hier oben ist Tuaillons mächtiger
Siegesreiter (Gipsabguß im Besitze des Albertinums in
Dresden), das beherrschende Werk, dahinter in der Nische
sind die Reliefs des Pfann und Pfeifer schen Lud-
wigsbrunnens zu Aschaffenburg im Halbkreise aufgebaut.
Die übrigen großen Bildwerke sind an den Wandfeldern,
die kleineren frei aufgestellt.

Auch in den Gemäldesälen ist der farbige Gesamt-
eindruck der maßgebende. Eine reiche Mannigfaltigkeit
herrscht in den gewählten Hintergrundtönen: die imposante
Klinger-Halle, deren ganze eine Querseite das Bild
„Christus im Olymp" einnimmt, ist weiß mit grüner
Pflanzendekoration, der Seffner-Saal weist alte Gobelins
aus dem königlichen Schlosse zu Dresden auf, Hans
Ungers Saal ist violett bespannt mit schwarzem gold-
bedrucktem Fries, der Saal der Karlsruher und Düssel-
dorfer Genossenschaft hat pompejanisch-rote Wände, die
beiden Münchener Säle zeigen goldige Tönung, die Dres-
dener Genossenschaft hat grau-rötliche, eine kleine Gruppe
von Dresdner Secessionisten weißbespannte Wände, das
Zimmer der Akademieprofessoren Kuehl, Diez, Pohle und
Kießling ist mit olivfarbencm Sammet ausgeschlagen,
weiter folgen die drei Schiffe des Saales der Weimaraner,
Hamburger und Holsteiner mit grau-grünen Wänden, links
und rechts davon die Lukas Cranach-Ausstellung und der
Berliner Saal mit kräftigem, gemustertem Rot, die vier-
zimmerige Abteilung für Griffelkunst wiederum in mannig-
faltig abgetönten Wandfärbungen und kräftig herausge-
 
Annotationen