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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Pecht, Friedrich: Das neue Gebäude des National-Museums in München von Prof. Gabriel Seidl
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0354

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276 Das neue Gebäude des National-Museums in München von Prof. Gabriel Seidl, vom Herausgeber.

der Fassade sehr glücklich ausgesprochen. Dieselbe zeigt
L nämlich kein einheitliches Gepräge, sondern einen Komplex

>n von reizend komponierten Gebäuden, welche indes in

^ einem leicht erkennbaren organischen Zusammenhang stehen,

^ wie sie sich um den das Ganze burgartig gestaltenden,

s im Uebergangsstil komponierten Turm so gruppieren, daß

L die Bauten rechts die der Renaissance vorausgehenden,

ff die links alle aus ihr hervorgehenden Stilperiodcn dar-

I stellen. Diese historische Entwicklung ist aber so echt

« deutsch als überraschend wahr gegeben, der Bau atmet

dabei sowohl in seiner Gesamtkomposition wie in allen
Teilen ein so sprühendes Leben, einen so malerischen
Sinn, daß man zu gar keinem Zweifel an seiner Existenz-
berechtigung kommt. Gerade in dieser Beziehung steht
er unter allen Münchener Neubauten unübertroffen da,
wird höchstens von Neureuthers Kunstakademie erreicht.
Uebertrifft sie ihn unstreitig an stolzer Anmut, so ist
doch unser Museum ganz gewiß spezifisch nationaler.
Besonders auch durch seine, bei allen unseren älteren
Münchener Bauten noch ganz fehlende, reizend künst-
lerische Durchbildung jedes kleinsten Details. Sie ist
es, die uns schon an der Fassade erfreut, wie man sie
dann beim Eintritt in das großartig komponierte Vestibül
wiedertrifft, samt dem ganzen, jetzt bereits vollkommen
H fertig dastehenden Erdgeschoß, das, mit der vorrömischen

-- Zeit beginnend, bis zur romanischen und gotischen Periode

ff fortschreitet, wo dann der große, mit den herrlichsten

ff Arbeiten Pachers in Bruncck, dann der Nürnberger

^ und Augsburger gefüllte Saal einen glänzenden Mittel-

s Punkt bildet. Ueberall aber sind die Bauformen dem

ff, Inhalt der Säle so harmonisch angepaßt, daß man oft

^ meint, beide müßten notwendig gleichzeitig entstanden

ff sein. Das geht nun durch eine unübersehbare Reihe von

° sich nie in ihrer Form wiederholenden Gemächern fort,

^ bis in die deutsche Renaissance und das in Bayern so

s, besonders reich vertretene Rokoko hinein, um mit dem

I Zopf- und Biedermeierstil zu schließen. Dabei über-

ff rascht uns überall ein so unermeßlicher Reichtum, wie

Z man ihn sonst nirgends gesehen zu haben meint.

>§- Allerdings sind von der herrlich vertretenen deutschen

ä Renaissance an die meisten Gemächer noch unvollendet,

so daß sie kein abschließendes Urteil erlauben. Dafür
erscheinen aber die bis zur Hoch-Renaissance reichenden
Räume so fertig und harmonisch, daß man wohl behaupten
darf, daß in Bezug auf vollendete Harmonie zwischen
Gehäus und Inhalt etwas Aehnliches weder in München
noch überhaupt in Deutschland existiere. Dieses neue

- Museum wird daher unter all unseren Sammlungen dcr-

ff einst nächst der alten Pinakothek unstreitig den ersten

^ Platz einnehmen. Uebersehen kann man seinen uuermeß-

ff lichen Reichtum freilich erst, wenn auch die dem Untcr-

- geschoß entsprechenden, die Stoffe, Meubles, Klein-Geräte

^ w. enthaltenden Räume des Obergeschosses fertig sein

^ werden. Dann aber wird man hier ein Kompendium

ff spezifisch deutscher Kunstgeschichte zu sehen bekommen, wie

- kein zweites existiert.

r Distichon.

^ „Klägliches Greisciigeschlccht, die impotenten Vuintaner I
Jugend blühet und Sieg aber, Sextaner, bei uns."

A. Litger.
 
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