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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schmidkunz, Hans: Museumskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0421

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Museumskunst.

zuerst ein Bild des heute noch typischen
Kirchenschmuckes, jener fabriksmäßigen,
über und über stilisierten Gottes- und
Heiligenbilder vor Augen, die wohl auch
nicht wenig zur Entfremdung zwischen
Kirche und Volk beigetragen haben. Und
dann versetze man sich mitten hinein in
die vorliegende sechste „Jahres-Mappe
der Deutschen Gesellschaft für christ-
liche Kunst. 1898" (Kommission der
Herderschen Verlagshandlung in Freibnrg
i. B.; Buchhändlerpreis 15 M., Jahres-
beitrag mit Gratisbezug derMappe 10 M.).

Tie Wandlung von jener Unnatur zu der
hier entfalteten Fülle von künstlerischer
Natürlichkeit ist überraschend groß. Den
ganzen Reichtum der Vollbilder und Text-
Illustrationen (leider fast ganz ohne Kunst-
gewerbliches), der biographischen Künstler-
notizen und des gedankenschweren Vor-
wortes von dem katholischen Theologen
Professor Josef Bach können wir hier un-
möglich auch nur andeuten. Zwei Proben!

Von Prof. August Thiersch liegen Vorder-
ansicht, Grundriß und Durchschnitt der katholischen Pfarr-
kirche St. Ursula in Schwabing vor, von Mathias
Schiestl der chromolithographische Druck eines Glasge-
mäldes „Die Verkündigung der Geburt Christi an die
Hirten". Der sehr freie, aber schlichte Renaissance-Stil
dort, die einfache Menschlichkeit der Figuren und die
Ueppigkeit der Farbentöne hier zeigen uns mit einem
Schlag, daß in diese Kreise vor allem eine hohe
Achtung vor der Kunst als solcher und dann eine Be-
freiung von — sagen wir historischem Zwang ein-

An der Thür. Hans Borchardt pinx.

Ausstellung der „Secession", München, ^899.

gezogen ist. Auf Grund dieser Mappe also und der
sonstigen uns vorliegenden Drucksachen der Gesellschaft
können wir in dieser eine höchst wertvolle Unter-
nehmung begrüßen und ein Unterstützen all dieser Be-
strebungen mit so gutem Gewissen empfehlen, daß unsere
kritischen Zusätze an dieser Gesamtanerkennung nichts
abzubrechen finden.

Um so offener dürfen wir solche Zusätze dazu ver-
wenden, die eigentümliche Sachlage zu kennzeichnen, die
all dem zu Grunde liegt. Zunächst fällt die Unbefangen-
heit auf, mit der die Redaktion der Mappe in ihrem
Text eine leise Kritik an einigen ihrer eigenen Dar-
bietungen übt, beispielsweise an Prof. Myslbeks natura-
listisch, aber auch würdevoll aufgefaßtem „St. Joseph".
Allein diese Unbefangenheit verrät eben auch eine Un-
sicherheit über das Verhältnis zwischen den Ansprüchen
der katholischen Kirche und denen der modernen Kunst.
Noch auffallender zeigt sich diese Unsicherheit in ver-
schiedentlichen von einander oft merkwürdig abweichenden
Reden, die bei Generalversammlungen der Gesellschaft
und ähnlichen Gelegenheiten gehalten worden und in den
Gesellschaftsberichten abgedruckt sind. Angefangen von
Ausfällen gegen heutige Kunstpflege, die wie eine Parodie
aus Oskar Panizzas Feder zu lesen sind, bis hinüber
zu den einsichtsvollsten Berichtigungen des Irrtums von
der Alleingültigkeit der mittelalterlichen Stile findet sich
eine bunte Reihe von Standpunkten. Allerdings wird
der katholisch-kirchliche Boden — mit kluger Vermeidung
eines ausdrücklichen Ausschließens akatholischer Kräfte —
in der That festgehalten. Und diese Anknüpfung der
Kunst an jenen Boden mag zwar wieder Gefahren in
sich bergen, gewährleistet uns jedoch die Behütung der
Kunst vor dem Freischweben, um deren willen wir
zunächst nach einer Reform des Museumwesens aus-
lugten.

Vielleicht wird, statt die Kirche der Kunst, vielmehr
die Kunst der Kirche helfen. Nur daß dies auf dem
Weg des Konservierens der Vergangenheit am wenigsten
gelingen dürfte. Möglich, daß die Anknüpfung des
 
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