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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 14.1898-1899

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Schneeli, Gustav: Von alter Schweizer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.12049#0480

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378

Von alter Schweizer Kunst. von Gustav Schneeli.

und Jahreszeiten und hauptsächlich die Geschichte der alten
Eidgenossen werden darauf gefeiert (Fig. 6).

Auch in der Porzellanindustrie versuchte sich die Schweiz
in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts.
Die Fabriken von Zürich und von Nyon lieferten Werke,
welche mit dem ganzen Zauber der Zopfzeit anmuten.
Diese Fabriken aber hielten sich nicht lange und ihre
seltenen Arbeiten sind daher für den Sammler besonders
schätzenswert geworden.

In dem Album sind weiter Werke der schweizerischen
Goldschmiedekunst
zahlreich vertreten.

An einer Reihe von
Krummstäben geist-
licher Herren (Fig. 7)
zeigt sich die Ueber-
legenheit der roma-
nischen Dekorations-
formen über die
gotischen. Der Stab
des Abtes von Engel-
berg aus dem zwölften
Jahrhundert ist mit
der Darstellung der
Verkündigung ge-
schmückt. Die Figuren
des Engels und der
Maria sind dem de-
korativen Gedanken
untergeordnet, fügen
sich als Ornament in
die von einer
wundervoll stilisierten
Schlange gebildete
Krümmung. Schlan-
gen und Chimären
bilden in ihrer idealen
Biegsamkeit die
Hauptmotive des üb-
rigen Ornaments.

Der Stab des Abtes
von S. Maurice aus
der spätgotischen
Epoche ist dagegen
unerschöpflich an ar-
chitektonischen Ele-
menten, er erinnert
an den Helm eines
gotischen Kirchturmes
und wirkt zugleich schwer und überladen. Noch eckiger
ist die Wirkung eines der Architektur entnommenen Motivs
als Flächendekoration auf einem mit dem größten tech-
nischen Geschick ausgeführten Buchdeckel aus Beromünster
(vierzehntes Jahrhundert).

Trotzdem haben sich die gotischen Formen gerade in
der Goldschmiedekunst, wenigstens für kirchliche Geräte,
sehr lange gehalten. Hauptsächlich die Monstranzen be-
halten die gotische Konstruktionsform bis ins siebzehnte
Jahrhundert bei.

Frei und geistvoll ist dagegen ein Reliquiar aus
dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts behandelt, welches
den Kopf des Täufers auf einer Platte liegend darstellt
(Fig. 11). Es war im Mittelalter eine verbreitete Sitte,
die Reliquie eines Heiligen in dessen silberner Büste auf-
zubewahren, hie und da wurde auch eine Statuette des
Heiligen als Behälter aus edlem Metall gebildet. Ein
schöneres und würdigeres Reliquiar als dies Bild des
Täufers hat aber wohl kein anderer Heiliger bekommen.

Die fröhliche Renaissanceepoche, welche hauptsächlich

für ihr Trinkgeschirr
die Goldschmiede
reichlich beschäftigte,
hat die feinsten Pokal-
motive entwickelt. Es
war dies nur mög-
lich durch die Teil-
nahme von Künstlern
ersten Ranges, welche
kunstgewerbliche Vor-
lagen entwarfen.
Dürers, Holbeinsund
Aldegrevers Pokal-
entwürfe sind durch
zahlreiche Publikatio-
nen bekannt gewor-
den. Das schweize-
rische Handwerk nahm
diese Formen auf und
bildete sie mannig-
faltig weiter. Eine
beliebte Form wurde
der Doppelbecher,
welcher jedoch eine
wirklich vollendete
und geschlossene Lö-
sung des Pokalmotivs
nicht gestattet. Am
einfachen Deckelpokal
ist es aber um so
reizender gelöst.

Nach und nach
kommen alsBecher alle
möglichen Phantasie-
formen in Gebrauch.
Reiter und heraldische
Tiere wurden beson-
ders auf den Zunft-
stuben als Geschirr
Mode (Fig. 9 u. 10). Der fröhliche dekorative Sinn der
Zeit fand hier eine willkommene Gelegenheit, sich zu er-
gehen. Jeder Künstlereinfall konnte auf seine Beachtung
rechnen, man verlangte eine reiche und überraschende Aus-
bildung der Form. Es fehlte nie an Wünschen der Be-
steller, an neuen sonderbaren Ideen. Und deshalb sind
das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert das goldene
Zeitalter dieser Kleinkunst geworden und immer wieder
greift man auf ihre Arbeiten zurück, um Vorbilder und
Anregungen zu neuem Schaffen zu finden.


Fig. 7. Krümmstäbe. Schweizerische Goldschmiede-Arbeiten aus dem 1(2.—1(6. Iahrh.
 
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