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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Meier-Graefe, Julius: Die Stellung Eduard Manet's
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0070

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-.•~c^> EDUARD MANET O.«

Einem Whistler waren die Japaner schon Malerei ebenso souverän verfuhr wie mit
lange vertraut und er hatte sie bereits mit der Radierung und in beiden die Konven-
seinem eigenen Werke verschmolzen, als sie tionen über den Haufen warf. Nur war ihm
erst anfingen, das Publikum zu interessieren, die technische Stelle, die ihm dabei zufiel,
das bis dahin in ihnen nur Spielereien gesehen sekundärer Art. Für die seltsamen Bilder,
hatte. die seiner bewegten Phantasie, einem Chaos,

Am drastischsten war es bei den Prä- in dem alles was spanisch heisst, eine tolle
raphaeliten. Man schwärmte bereits für Apologie gefunden, vorschwebten, brauchte
Rossetti, als man von den Italienern noch er hier und da neue Mittel, mit denen er
gar keine Ahnung hatte, und die stolzen willkürlich verfuhr, ohne zu ahnen, dass er
Briten hätten ganz bestimmt Botticelli für damit einer neuen Malerei die ersten Elemente
made in Germany erklärt, wenn er nicht schenkte. Das hinderte ihn nicht, ein ander-
seine frühere Existenz hätte glaubwürdig mal zu dem banalsten Konventionellen zu
nachweisen können. Passierte es doch da- greifen. Er hat immer da, wo es darauf an-
mals oft genug, dass die kunstbeflissene Lady kommt, litterarisches Selbstbewusstsein; nicht
sich nach dem Befinden des interessanten immer das künstlerische. In hunderten seiner
Italieners erkundigte. Porträts ist nicht die Spur eines Genies zu

Whistler hatte der Welt die Spanier vor- erkennen, er malte sie glatt weg, wenig anders
gestellt. Man fand ausser Velazquez einen wie alle Welt in seiner Zeit, und derselbe
gewissen Goya, der Anfang des Jahrhunderts Mensch hat in seinen Historienbildern, in
Beziehungen zu Südfrankreich unterhalten seinen phantastischen Schilderungen spanischer
hatte. Er interessierte keine Katze, allenfalls Grösse und Kleinheit, spanischer Lust und
amüsierten seine kuriosen Radierungen. Vor- spanischer Dumpfheit, Ausdrücke gefunden,
her war ein junger französischer Maler dage- eine fieberhafte Geschmeidigkeit des Pinsels,
wesen; der hatte anders darüber
gedacht: Eduard Manet.

Wie die kunstbeflissene eng-
lische Lady der siebziger Jahre
den Italienern, so steht heute noch
fast die ganze Welt dem Maler
Goya gegenüber. Es giebt eine
Unmenge Gemälde von ihm in
Paris, die in den ersten Jahr-
zehnten des Jahrhunderts in Pariser
Familienbesitz gekommen sind, und
es ist keine Seltenheit, sie im
Handel zu treffen. Neulich kam
ein Riesenbild von ihm in eine
berühmte Vente des Hotel Drouot,
eine Arena mit Stierkämpfern, und
das Ergebnis war, was der Pariser
Händler einen four complet nennt,
das Bild wurde etwa zu 2000 Frcs.
zugeschlagen. In derselben Vente
riss man sich um einige Fetzen
von Manet.

Die Ironie ist nicht ganz so
krass wie bei der Lady. Die Prära-
phaeliten haben die Frühitaliener
verwässert, Manet hat aus Goya
eine gigantische Kunst gemacht;
er erscheint reifer als der Schöpfer
der Capriccios; wenn nicht grösser,
kultivierter. Dem traditionslosen
Spanier steckte die Wildheit im
Blute, ein Genie ohne einen
Funken Geschmack, ein Tempera-
ment ersten Ranges, der mit der eduard manet Ruhestunde

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