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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Seidlitz, Woldemar von: Sascha Schneider's Fresko in Cölln bei Meissen
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0086

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SASCHA SCHNEIDER'S FRESKO IN CÖLLN BEI MEISSEN

Von W. v

Vor nahezu fünf Jahren, als G. Pauli in der
„Kunst für Alle" (10. Jahrg., H. 8) den
Künstler in die Oeffentlichkeit einführte,
konnte er noch die Frage aufwerfen, ob
Sascha Schneider, von dem damals in der
Hauptsache nur Kartons bekannt waren, ein
ebenso vortrefflicher Maler wie Zeichner sei.

Das kürzlich (am 27. August) enthüllte
Fresko, welches er in der Kirche von Cölln
(bei Meissen) gemalt hat, zeigt nun, dass diese
Frage unbedingt zu bejahen ist. Die gross
erfasste und klar gegliederte Komposition
dieses Freskos ist durchaus auf die Farbe
hin entworfen, ja wirkt in erster Linie gerade
durch die Farbe.

Kein Zufall sondern ein Ergebnis unab-
lässig wetteifernden Strebens ist es, dass
Schneider zu diesem bedeutsamen Ergebnis -
in demselben Sommer gelangt ist, der auch
seinem Arbeitsgenossen Richard Müller
— den Pauli in derselben Nummer der
„K. f. A." als eine vielverheissende neue Kraft
erwähnt hatte — die allgemeine Anerkennung
eintrug, für dessen mit ungewöhnlicher Sorg-
falt und Geschicklichkeit ausgeführtes Oel-
gemälde der „Barmherzigen Schwester".

Schneider's Fresko ziert den Triumphbogen
einer neuerbauten stattlichen, schön erleuch-
teten Kirche, und stellt den Triumph des
Kreuzes im Weltgericht dar. Durch die nach
der Tiefe zu sich verschmälernde Leibung
dieses Bogens wird der Blick auf den in ge-
dämpftem Licht ruhenden Altarraum geleitet,
die Malerei aber hebt sich von diesem Hinter-
grunde um so leuchtender ab, als sie in Farben
von einer Kraft erglänzt, die in Werken der
neueren Zeit ihres gleichen nicht findet, dabei
aber doch durchaus harmonisch wirkt.

Oben in der Mitte steht die Gestalt des Er-
lösers, von einem tief ultramarinblauen Grunde
sich abhebend, der an beiden Seiten nach
unten zu allmählich in eine helle Tönung
übergeht. Die beiden Engel zu den Seiten
Christi tragen graublaues Gewand und halten,
der eine, ein goldenes Flammenschwert, der
andere einen goldenen Palmzweig. In den
Gruppen der Bläser, die sich links und
rechts anschliessen und als die Verkündiger
des Gerichts den Kernpunkt der ganzen
Komposition bilden, tritt das Gold noch
kräftiger hervor, indem es durch die Ver-
bindung mit lebhaften Farben stärker heraus-

. Seidlitz

(Nachdruck verboten)

gehoben wird. Der vorderste der Bläser
rechts trägt eine golden Rüstung über
weissem Rock; seine Genossen sind in Grün
gekleidet. Auf der anderen Seite trägt der
hinterste gleichfalls eine golden Rüstung,
aber über rotem Rock; sein Nachbar ist in
tiefrotes Gewand gehüllt. Der mittelste, in
goldenem Helm, ist durch den grossen runden
Schild von weisser Farbe gekennzeichnet;
sein Vordermann, eine blonde, vom Rücken
gesehene Heldengestalt, trägt weissen Schurz;
er hebt sich ab von dem tiefblauen Gewand
der Frau, die hinter ihm steht. Die beiden
Engel, welche den Zug eröffnen, sind in
durchscheinende weisse Gewänder gehüllt.

Das Gegengewicht zu dieser Gruppe bilden
rechts die Gestalten der vier Landplagen aus
der Apokalypse, hier ohne die Rosse, dafür
aber zu einer Gruppe von so eigenartiger
Charakteristik vereinigt, dass man sie sofort
als eine durchaus persönliche Schöpfung des
Künstlers empfindet, in der er sich schadlos
halten konnte für den Zwang, den ihm die
Erfindung mancher bloss durch die Kompo-
sition geforderten Gestalten auferlegte. Hier
kann er jener Phantastik die Zügel schiessen
lassen, die seinen ersten Schöpfungen so
raschen Zugang beim Publikum verschafft
hatte. Voran steht der Tod, in Schwarz ge-
hüllt, mit weissem Bart; daneben der Krieg,
rothaarig, mit blutrotem Federbusch, in blauer
Rüstung über rotem Rock; er trägt das blutige
Fell eines Ungeheuers, aus dessen Munde
rote Schlangen wachsen; weiterhin die Pest,
leichenhaft, mit dem roten Bogen in der
Hand; endlich der Hunger, in violettem Ge-
wände, mit weissem Lockenkopf, die goldne
Wage schwingend.

So lebhaft auch all diese Farben sind, durch
die entschiedene Verwendung des Weiss und
des Schwarz werden sie in ihrer Wirkung aus-
geglichen und beruhigt. In dieser Sicherheit,
welche die Verwendung stimmender und daher
abschwächender Töne unnötig macht, erweist
sich am deutlichsten Schneider's koloristische
Begabung.

Die beiden untersten Gruppen, rechts die
Verdammten, links die Erlösten, sind auch
durch die Farbengebung als Gegensätze be-
handelt. Der Knäul der herabstürzenden Ver-
dammten weist durchaus satte tiefe Farben
auf, wie die nach dieser Richtung hin spröde

Die Kunst fttr Alle XV. 4. 15. November 1899.

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