A. FITGER. AUS MEINEM LEBEN
OTTO UBBELOHDE ABENDSONNE
Freie Vereinigung Darmstädter Künstler
Aber neben diesen ganz leichtfertigen deko- Stunde geistigen Austausches, wie er eben
rativen Aufgaben, bei denen es auf eine Hand- nur von Maler zu Maler stattfinden kann,
voll Noten nicht ankam, beschäftigten mich sehnte, dann kam ich mir vor wie tief unter
andere, sehr ernsthafte, an die ich mein bestes dem Schall der menschlichen Rede". Ja,
Herzblut setzte, die ich mit allem, was an schlimmer als das: Dilettanten in ihrer naiven
tiefer, glühender Begeisterung in meiner Seele Anmassung redeten mit Eifer auf mich ein
lebte, unter heftigen Herzensqualen des Klein- und brachten mich, da ich an ihrem aufrich-
mutes und der Verzweiflung über die Bettel- tigen Wohlwollen ja niemals zweifeln konnte,
haftigkeit meines eigentlichen Könnens mir oft bis an den Rand der Verrücktheit und
abgerungen habe. Was ich an einzelnen der Hölle. Und endlich: es fehlt in Bremen
hervorragenden Plätzen wie im Ratskeller, gänzlich an jener grossen, beruhigenden, die
im Hause Seefahrt, in der Börse u. s. w. schwankende Seele immer wieder zu einer
von mir forderte, war nicht mehr und nicht festen Norm zurückführenden Stimmgabel,
weniger als das Höchste. Es war etwas, was an einer Galerie mit einigen, wenigstens
auch einer stärkeren Begabung als der mei- einigen Meisterwerken der Alten. Unter
nigen unerreichbar geblieben wäre; denn es solchen Umständen mag sich das Lebens-
fehlte hier in Bremen an einigen für jedes schifflein oft in wilden Strudeln gedreht
Gelingen ganz unerlässlichen Vorbedingungen; haben, nicht wahr?
es fehlte an jeglichem irgend geschulten Dagegen darf ich auch eines grossen,
Modell, sei es weiblichen oder männlichen freilich negativen Vorzuges nicht vergessen.
Geschlechtes; das bischen, das zu haben war, Damals, in den ersten siebziger Jahren, war
namentlich der ersteren Kategorie, betrieb die Kunst im allgemeinen noch nicht sehr
das Geschäft ganz dilettantisch, ohne Ver- von den Extravaganzen des höheren Blöd-
ständnis und Ernst und hatte niemals Lust, sinns, die man heute nicht nur ernsthaft
sich wirklich, wie es doch nötig ist, erziehen nimmt, sondern sogar bewundert und mit
zu lassen. Ein von Haus aus zur Flüchtigkeit der ganzen Janitscharenmusik der Reklame
neigender Maler und ein ungeduldiges Modell als Meisterwerke ausschreit, angekrankt und
— man wird ermessen, was für Naturstudien speziell in Bremen war von dem Modebacillus
dabei herauskamen. Ferner fehlte mir jeg- noch nichts zu spüren. Die Kunstausstellungen
liehe fachmännische, kollegialische Kritik; so hielten sich auf guter Mittelhöhe, Andreas
vortrefflich, liebenswürdig, klug, hochherzig Achenbach's Ruhm war noch nicht ange-
sich die Menschen ringsum gegen mich er- geifert, der Geschmack des Publikums war
wiesen, — wenn ich mich einmal nach einer nicht eben sonderlich fein und kühn, und
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OTTO UBBELOHDE ABENDSONNE
Freie Vereinigung Darmstädter Künstler
Aber neben diesen ganz leichtfertigen deko- Stunde geistigen Austausches, wie er eben
rativen Aufgaben, bei denen es auf eine Hand- nur von Maler zu Maler stattfinden kann,
voll Noten nicht ankam, beschäftigten mich sehnte, dann kam ich mir vor wie tief unter
andere, sehr ernsthafte, an die ich mein bestes dem Schall der menschlichen Rede". Ja,
Herzblut setzte, die ich mit allem, was an schlimmer als das: Dilettanten in ihrer naiven
tiefer, glühender Begeisterung in meiner Seele Anmassung redeten mit Eifer auf mich ein
lebte, unter heftigen Herzensqualen des Klein- und brachten mich, da ich an ihrem aufrich-
mutes und der Verzweiflung über die Bettel- tigen Wohlwollen ja niemals zweifeln konnte,
haftigkeit meines eigentlichen Könnens mir oft bis an den Rand der Verrücktheit und
abgerungen habe. Was ich an einzelnen der Hölle. Und endlich: es fehlt in Bremen
hervorragenden Plätzen wie im Ratskeller, gänzlich an jener grossen, beruhigenden, die
im Hause Seefahrt, in der Börse u. s. w. schwankende Seele immer wieder zu einer
von mir forderte, war nicht mehr und nicht festen Norm zurückführenden Stimmgabel,
weniger als das Höchste. Es war etwas, was an einer Galerie mit einigen, wenigstens
auch einer stärkeren Begabung als der mei- einigen Meisterwerken der Alten. Unter
nigen unerreichbar geblieben wäre; denn es solchen Umständen mag sich das Lebens-
fehlte hier in Bremen an einigen für jedes schifflein oft in wilden Strudeln gedreht
Gelingen ganz unerlässlichen Vorbedingungen; haben, nicht wahr?
es fehlte an jeglichem irgend geschulten Dagegen darf ich auch eines grossen,
Modell, sei es weiblichen oder männlichen freilich negativen Vorzuges nicht vergessen.
Geschlechtes; das bischen, das zu haben war, Damals, in den ersten siebziger Jahren, war
namentlich der ersteren Kategorie, betrieb die Kunst im allgemeinen noch nicht sehr
das Geschäft ganz dilettantisch, ohne Ver- von den Extravaganzen des höheren Blöd-
ständnis und Ernst und hatte niemals Lust, sinns, die man heute nicht nur ernsthaft
sich wirklich, wie es doch nötig ist, erziehen nimmt, sondern sogar bewundert und mit
zu lassen. Ein von Haus aus zur Flüchtigkeit der ganzen Janitscharenmusik der Reklame
neigender Maler und ein ungeduldiges Modell als Meisterwerke ausschreit, angekrankt und
— man wird ermessen, was für Naturstudien speziell in Bremen war von dem Modebacillus
dabei herauskamen. Ferner fehlte mir jeg- noch nichts zu spüren. Die Kunstausstellungen
liehe fachmännische, kollegialische Kritik; so hielten sich auf guter Mittelhöhe, Andreas
vortrefflich, liebenswürdig, klug, hochherzig Achenbach's Ruhm war noch nicht ange-
sich die Menschen ringsum gegen mich er- geifert, der Geschmack des Publikums war
wiesen, — wenn ich mich einmal nach einer nicht eben sonderlich fein und kühn, und
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