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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Popp, Joseph: Die Ausstellung der deutschen Gesellschaft für christliche Kunst, München 1899
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0134

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-^sgg> DIE GESELLSCHAFT FÜR CHRISTLICHE KUNST <3äW~

handelt wird: Dort negierend oder zweifelnd, gewandte Geschäftsleute mit guten und
hier streng dogmatisch oder vermittelnd. — schlechten Reproduktionen der Nazarener-
Aus diesem Milieu heraus muss man zum Werke und zweifelhaften Nachempfindungen
Teil die Gründung der Deutschen Gesell- derselben ausfüllten. So wurde das Volk
schaft für christliche Kunst als ein Bedürf- an die Schablone gewöhnt; kein Künstler aber
nis verstehen. hatte Lust, Fabrikant zu werden — und wenn

Dazu kommt, dass mit dem Aussterben hie und da ein Bedeutender wie Baumeister
der Nazarener auch die christliche Kunst erschien, ward er nicht verstanden und fand
ausstarb. Diese Männer waren vielfach be- keine Anerkennung. Die sogenannten Kunst-
deutende Meister, weshalb sie keine Kritik anstalten erfreuten sich des besten Daseins,
bis auf den heutigen Tag totmachen konnte, überschwemmten die Kirchen mit ihrer
was Gurlitt in seiner neuesten Kunstgeschichte Dutzendware, verdarben neben dem Ge-
ausdrücklich konstatiert; sie hatten aber den schmack den pekuniären Masstab für wahr-
grossen Fehler gemacht, dass sie zu Gunsten hafte Künstlerarbeit und üben jetzt über
der Vergangenheit auf die herrliche Kraft Klerus und Volk eine wahrhaft seuchenartige
ihrer Individualität verzichteten und damit Gewalt aus, gegen die vor zwei Jahren Erz-
auf die Weiterentwicklung, das Gedeihen einer bischof Antonius von Thoma in München,
Schule, die Bildung einer neuen Tradition in beeinflusst durch die Deutsche Gesellschaft
der christlichen Kunst. So wurde ihre Arbeit für christliche Kunst, sein Wort erhob,
nur zur Episode. Es kam die Lücke, welche Man muss diese Verhältnisse kennen, um

neben der Existenzberechtigung
obiger Gesellschaft die Schwierig-
keit ihrer Lage zu begreifen und
ihr Wirken gerecht zu beurteilen.
Es müssen Künstler und Publikum
erst gewonnen werden — wie rege
beiderseits das Interesse ist, be-
weist das Zustandekommen einer
eigenen Ausstellung, wie die Mit-
gliederzahl von zweitausend.

Neben diesen, aus der Zeit
erwachsenen, Hindernissen für
eine religiöse Kunst giebt es noch
zahlreiche in der Sache gelegene
Schwierigkeiten. Der sich gleich-
bleibende Glaubensinhalt und
seinedurchdie Traditionbestimmte
Form erschweren dem Künstler
neue Wege. Obwohl die katho-
lische Kirche an sich den ver-
schiedensten Stilen Existenz und
Pflege gewährt, kann doch hic et
nunc das Bestreben, einen zeitge-
mässen künstlerischen Ausdruck
der Glaubenswahrheiten, -that-
sachen und -Symbole zu bieten,
dem Künstler recht sauer gemacht
werden. Es liegt dies neben den
schon genannten äusseren und
inneren Gründen vor allem darin,
dass wir gegenwärtig in der Kunst
überhaupt des Stiles entbehren.
Wir haben zahlreiche bedeutende
Künstler, aber keine einheitliche
Kunst; wie ja auch unserer Kultur
georg busch. altar und Reliquienschrein des sel. hroznata die einheitliche Weltanschauung
Bestimmt für das Stift Tepi bei Marienbad fehlt. Infolgedessen müssen die

Ausstellung der Gesellschaft für christliche Kunst kirchlichen Kreise vor allem den

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