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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Schumann, Paul: Öffentliche Kunstsammlungen in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0271

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-*-fi^> ÖFFENTLICHE KUNSTSAMMLUNGEN IN DEUTSCHLAND <^=^

gutgemeinten Ankäufe aus den Kunstvereins-
geldern zu viel Mittelgut zu, das sich dadurch
in empfindlicher Weise häuft. Der gleiche
Uebelstand herrscht in Hannover.

Auch die Ueberweisung überschüssiger Ge-
mälde aus hauptstädtischen Museen an die
Provinzialsammlungen hält Bode nicht für
unbedingt segensreich. Nur dann stiften der-
artige Geschenke und Leihgaben Nutzen, wenn
dadurch bestimmte lokale Interessen beim
Sammeln gefördert werden, wie es in Münster
und Emden geschehen ist oder wenn dadurch
für Universitäten ohne grössere Sammlungen
ein Unterrichtsmaterial geschaffen wird. „An
den meisten anderen Orten haben solche
Werke dritter Künstler und von untergeord-
neter kunstgewerblicher Ware eher einen
schädlichen als einen vorteilhaften Einfluss
durch den falschen Geschmack, den sie aus-
bilden, und durch den falschen Masstab, den
sie für ein Weitersammeln abgeben. Ich kann
es daher, sagt Bode, den Königsbergern nicht
so sehr verargen, wenn sie die grossen Ge-
mälde der altitalienischen Schule, die ihnen
1837 überwiesen waren, „aus Versehen" nach
fünfzig Jahren noch nicht aufgestellt hatten".

Dagegen ist Bode mit Recht sehr einge-
nommen für Betonung der örtlichen Eigen-
tümlichkeiten, für Sammeln der Erzeugnisse
alter provinzieller Industrien oder der Werke
älterer örtlicherMalschulenu.s.w. Auch die An-
knüpfung an wertvolle Stiftungen von Kunst-
freunden, die in einer bestimmten Richtung ge-
sammelt haben, empfiehlt Bode mit Recht ganz
besonders. Nichts ist weniger wünschenswert
als eine Schabionisierung der deutschen Kunst-
sammlungen. Als Museen, wo mit Recht die
lokalen Interessen und die Bezugnahme auf sie
im Vordergrunde stehen, nennt Bode die Ham-
burger (anglo-niedersächsische und japanische
Kunst), Köln (niederrheinische Kleinkunst,
römisch-germanische Ausgrabungen, mittel-
alterliche rheinische Malerschule), Kassel,
Braunschweig, Gotha, Weimar (Erzeugnisse
der Kunstindustrien, die im Lande vorüber-
gehend geblüht haben, wie Porzellan, Fayence,
Tischlerei u.a.), Lübeck (niederdeutsche kirch-
liche Kunst u. a.), Schwerin, Kiel u. a.

In Hinsicht auf die Anordnung bezeichnet
Bode die Dresdener Skulpturen-Sammlung
als mustergültig; sie ist für einige auslän-
dische Museen schon vorbildlich geworden.
Er hätte hier auch den unterrichtlichen Wert
der Heranziehung von Abbildungen zum Ver-
gleich und die umfängliche Bezettelung — eben-
so wie bei Brinckmann in Hamburg — hervor-
heben können. Für Magdeburg, wo dem von
Volbehrgeleiteten Museum ein Neubau ersteht.

empfiehlt er Gipsabgüsse, Münzen und teil-
weise auch Gemälde gesondert aufzustellen, im
übrigen aber von der alten schablonenhaften
Scheidung nach Gattungen der hohen Kunst,
des Kunstgewerbes u. s. f. abzugehen und viel-
mehr in den einzelnen Räumen Bilder der
Gesamtentwickelung der Kunst bestimmter
Zeiten und Völker zu geben und dadurch auf
richtige Eindrücke der Kulturepochen und
zugleich auf Ausbildung des Geschmackes
hinzuwirken zu suchen. Als Beispiel, dass
sich die Aufstellung nach Gattungen der
Kunst nicht völlig bewährt hat, führt Bode
das Berliner Kunstgewerbe-Museum an. Auch
im Hamburger Museum für Kunst und Ge-
werbe wird bei der bevorstehenden Neuauf-
stellung die Einbeziehung der hohen Kunst
d. h. im wesentlichen der Plastik in den Ge-
samtrahmen von hohem Nutzen sein, da ohne
diesen Hintergrund kaum ein grosser Cha-
rakter in der Wirkung der Räume zu erzielen
ist. Nach dieser Richtung hat Brinckmann in
letzter Zeit besonders gesammelt.

Die jetzt beliebten kunstgewerblichen Samm-
lungen nach der gewöhnlichen Schablone,
wofür einzelne Antiquitätenhändler ganze Ab-
teilungen vorrätig zu haben pflegen, gehören
in das Gebiet des Sammelsports; für die
Bildung des Geschmacks und für die An-
regung des Handwerks können regelmässige
Ausstellungen, namentlich kleine Ausstel-
lungen von einzelnen hervorragenden Künst-
lern oder von bestimmten Richtungen und
Gattungen des modernen Kunsthandwerks
weit anregender wirken. Die drei Dresdener
Ausstellungen von 1897 und 1899 — in denen
Zimmereinrichtungen gezeigt wurden — sind
hierfür besonders lehrreiche Beispiele. Auch
in Krefeld, wo das neu begründete Museum
der zielbewussten Leitung Denekens unter-
steht, wandelt man auf ähnlichen Pfaden.

Mit besonderen Schwierigkeiten ist die Neu-
gründung von Museen verbunden, wo schon
zahlreiche Museen bestehen. Das ganz bedeu-
tungslose Dresdener Kunstgewerbe - Museum
ist ein Beweis hierfür. Nicht minder das
Märkische Museum, das Museum der Stadt
Berlin, wo die „patriotischen" Geschenke
als künstlerisch wertlos erscheinen und die
besseren Sachen den übrigen Museen in ohn-
mächtiger Weise Konkurrenz machen. Bode
regt daher für dieses Museum eine Nationale
Porträt-Sammlung als eine zwar sehr schwie-
rige aber gewiss würdige Aufgabe für die
Reichshauptstadt an. Wir wünschen, dass
diese Anregung ebenso wie die übrigen, die
Bode in so reichem Masse giebt, auf frucht-
baren Boden falle. Paul Schumann

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