Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/1900
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0309
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Peltzer, Alfred: Giovanni Segantini: (Betrachtungen bei Gelegenheit der Ausstellung zu Ehren des Verstorbenen in Mailand)
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-a-5^> GIOVANNI SEGANTINI
'■IlHHHflHRRHHSHHSi^^^^^SII^^^HiHHI felder; doch kalte Schatten
der Bergriesen lagern auf den
grünen Matten im Vorder-
grunde. Dort sitzt auf der
Wurzel eines kahlen, 'sich
aufwärtsreckenden Nadel-
baumes ein junges Weib mit
seinem Kind auf dem Schoss,
es zärtlich an sich drückend,
müde und schwermütig und
doch unendlich liebevoll, das
Haupt auf das Köpfchen sen-
kend. Eine Viehherde naht
sich ihrem Sitze, mit einer
brüllenden Kuh im Vorder-
grund. Ein zurückgebliebener
Ochse muss vom Hirten mit
dem Knüttel vorwärts getrie-
ben werden, während hinten
auf felsigem beschwerlichem
Wege zwei Bäuerinnen
schwere Lasten auf dem ge-
beugten Rücken tragen. Wie
giov. segantini (1887) springendes pferd ein wehmütiger Misston, der
von dem'}Knüttelschlag des
sind fast vollendet und zeigen grossartige Hoch- rohen Hirten ausgeht, scheint es durch die
gebirgslandschaften, jeweils verschiedene Mo- Stimmung dieses Bildes zu ziehen. — Auf
tive und Stimmungen bringend und verschieden der Mailänder Ausstellung befand sich auch
belebt. Auf dem grossen Mittelbild (vergl. d. eine Zeichnung mit einer Komposition, die
Abb. des zeichnerischen Entwurfes a. S. 294) für das Bild in der Lünette über diesem,
schweift der Blick über eine weite, mit Fels- „La Vita" genannten Gemälde bestimmt ge-
blöcken übersäte Gebirgswiese, über die eine wesen ist. Ein Weib sieht man dort, eine
Viehherde trottet, begleitet von einem jungen mythologische Gestalt, in heftiger gequälter
Bauern und einer jungen Bäuerin. Gesenkten Bewegung über einer Landschaft durch die
Hauptes und mit vorgebeugtem Oberkörper, Lüfte fahrend, wie eine Personifikation des
aber kräftigen, gleichmässigen Schrittes wan- Sturmwindes erscheinend. Es öffnet den Mund
dein die beiden dahin, gesund
und sicher, die reine Luft
des Morgens atmend, schwei-
gend vor dem ernsten er-
habenen Schweigen der Hoch-
gebirge, welche in langer Kette
sich majestätisch im Hinter-
grunde darbieten. Hinter den
zackigen Felsen und weissen
Schneefeldern schiessen
Strahlen empor in den klaren
Himmel: die Sonne hat sich
erhoben. „La Natura" wollte
derMeisterineinfachen Buch-
staben unter dies Bild schrei-
ben. — Zur Rechten dieses
Gemäldes steht ein anderes,
das sich „La Vita" nennt,
und uns die Alpenland-
schaft in der hellen Beleuch-
tung der Mittagssonne zeigt.
Grell leuchten die Schnee- Giov. segantini (1887) Mädchen aus Graubünden
293
'■IlHHHflHRRHHSHHSi^^^^^SII^^^HiHHI felder; doch kalte Schatten
der Bergriesen lagern auf den
grünen Matten im Vorder-
grunde. Dort sitzt auf der
Wurzel eines kahlen, 'sich
aufwärtsreckenden Nadel-
baumes ein junges Weib mit
seinem Kind auf dem Schoss,
es zärtlich an sich drückend,
müde und schwermütig und
doch unendlich liebevoll, das
Haupt auf das Köpfchen sen-
kend. Eine Viehherde naht
sich ihrem Sitze, mit einer
brüllenden Kuh im Vorder-
grund. Ein zurückgebliebener
Ochse muss vom Hirten mit
dem Knüttel vorwärts getrie-
ben werden, während hinten
auf felsigem beschwerlichem
Wege zwei Bäuerinnen
schwere Lasten auf dem ge-
beugten Rücken tragen. Wie
giov. segantini (1887) springendes pferd ein wehmütiger Misston, der
von dem'}Knüttelschlag des
sind fast vollendet und zeigen grossartige Hoch- rohen Hirten ausgeht, scheint es durch die
gebirgslandschaften, jeweils verschiedene Mo- Stimmung dieses Bildes zu ziehen. — Auf
tive und Stimmungen bringend und verschieden der Mailänder Ausstellung befand sich auch
belebt. Auf dem grossen Mittelbild (vergl. d. eine Zeichnung mit einer Komposition, die
Abb. des zeichnerischen Entwurfes a. S. 294) für das Bild in der Lünette über diesem,
schweift der Blick über eine weite, mit Fels- „La Vita" genannten Gemälde bestimmt ge-
blöcken übersäte Gebirgswiese, über die eine wesen ist. Ein Weib sieht man dort, eine
Viehherde trottet, begleitet von einem jungen mythologische Gestalt, in heftiger gequälter
Bauern und einer jungen Bäuerin. Gesenkten Bewegung über einer Landschaft durch die
Hauptes und mit vorgebeugtem Oberkörper, Lüfte fahrend, wie eine Personifikation des
aber kräftigen, gleichmässigen Schrittes wan- Sturmwindes erscheinend. Es öffnet den Mund
dein die beiden dahin, gesund
und sicher, die reine Luft
des Morgens atmend, schwei-
gend vor dem ernsten er-
habenen Schweigen der Hoch-
gebirge, welche in langer Kette
sich majestätisch im Hinter-
grunde darbieten. Hinter den
zackigen Felsen und weissen
Schneefeldern schiessen
Strahlen empor in den klaren
Himmel: die Sonne hat sich
erhoben. „La Natura" wollte
derMeisterineinfachen Buch-
staben unter dies Bild schrei-
ben. — Zur Rechten dieses
Gemäldes steht ein anderes,
das sich „La Vita" nennt,
und uns die Alpenland-
schaft in der hellen Beleuch-
tung der Mittagssonne zeigt.
Grell leuchten die Schnee- Giov. segantini (1887) Mädchen aus Graubünden
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