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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Becker, Benno: Festspiel zur Einweihung des Münchener Künstlerhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0365

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«*-5^> DAS MÜNCHENER KÜNSTLERHAUS -C5^

DIE DARSTELLER DES FESTSPIELS

Und mag sich schnell und mühelos ergötzen!

Wie sollte sie auch würd'ge Ruhe finden

In dem Getriebe, das sich rastlos drängt.

Die Zeit ist hart. Es tobt der Völker Kampf

Rings um ein ehern Ziel. Und keine Stätte bleibt

Der Muse, die vom grellen Lärm erbebt.

Und weltenflüchtig nehmen wir sie auf

Und wollen sie in tiefer Stille bergen.

Doch wenn dereinst der Kampf geendet ist,

Wenn einst die Geister wieder froh des Schönen,

Dann tragen wir sie im Triumph hinaus,

Um sie der Menschheit herrlich zu enthüllen!

Jüngling :
Und darum diese Pracht?

Meister:
O diese Pracht ist ja die Hülle nur.
Die Muschel, die sich um die Perle schliesst. —
Nun will ich dir die Perle selber zeigen,
Die in lebend'ger Schönheit uns erstrahlt!

Die Bühne wird dunkel; eine leise Musik. Die Hecken im
Hintergrunde der Bühne öffnen sich und es erscheinen die Grazien
(nach dem Frühling von Bolticelli).

grazie (Melodram):
Nun rang der Sonne Feuerkraft
Den grimmen Trotz des Winters machtvoll nieder
Und scheuchte ihn in himmelweite Fernen —
Und über Nacht erwuchs der junge Frühling!
Ein wonnig Lächeln schwebt um seine Lippen,
Er zieht einher in köstlichem Gewand,
Ein milder Sieger.

Und hinter ihm in märchenhafter Reihe

Die bunten Scharen seiner Kreatur.

Besitz nimmt er von seinem Königreich

Und die Trabanten fliegen durch die Lüfte

Der Welt die Freudenbotschaft zu verkünden.

Zu neuem Leben wacht die Erde auf,

Die eben noch in starrem Schlummer träumte.

Seht, wie es jubelt, wie in frohem Streit

Sich alles tummelt, alles drängt zum Licht.

Seht, wie es blüht und knospet weit und breit

Wie schon die Thäler und die Hänge schimmern!

— Ein Zauberteppich webt sich,
Die alte Mutter Erde zu umhüllen.

Und du, o Menschenkind, aus deinen Sorgen
Behende eil' herbei mit sel'gem Mut,
Denn dieser Teppich ward für dich gewebt,
Dass ihn dein leichtbeschwingter Fuss durcheile!
Begrab' des dumpfen Winters enge Qual
Und stähle dich im lichten Gold der Sonne.

Und du, o Künstler, sauge kühne Kraft
Am Busen der jungsprossenden Natur,
Denn innig hängt am Frühling alle Kunst.
Gleichwie der Frühling jeder Mode fremd
Der Eine, Alte — ewig Junge bleibt,
So bleibt die Kunst die Eine — Echte stets,
Kein modisch Kleid kann ihre Art vermummen!
Und wie die Herzen überkommt der Frühling
Mit Macht unwiderstehlich — so umbannt
Das Edelste, was Menschengeist ersann,

— Die Kunst — das Herz mit ihrer Zauberkraft!

Die Grazien verschwinden. — Die Bühne wird wieder hell.
JÜNGLING :

Du grosser Zauberer!

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