DOI Artikel:
Seidlitz, Woldemar von: Über Freskotechnik, [2]
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0403
UBER FRESKOTECHNIK
Von W. v. Seidlitz
(Schluss aus dem vor. Hefte)
(Nachdruck verboten)
Pause Blau, und zwar Regenwasser, das nicht über
Die Kartonpause desjenigen Stückes, wel- Eisen geflossen ist, oder destilliertes Wasser,
ches an dem Tage gemalt werden soll, wird [Vor dem Zusetzen von Gelatine wird ge-
nun auf die feuchte noch weiche Wand gelegt warnt, da diese infolge der Feuchtigkeit fault
und die Umrisse werden entweder eingeritzt und schimmlig wird.]
oder durchgepunzt. Signorelli ritzte die Die Palette kann von Zinn [oder Blech]
Umrisse ein, Michelangelo bediente sich sein und durch einen hellen Firnissüberzug
der Punze. [Zur Vorritzung bedient man vor dem Rosten geschützt werden; eine Rinne
sich eines Hölzchens, doch kann durch den dient zum Auffangen der abfliessenden Feuch-
Druck leicht die Struktur des Marmorüber- tigkeit. Auch kann eine Marmorplatte Ver-
zugs verletzt werden; rationeller erscheint wendet werden, die dann in der Nähe auf-
das Durchstechen der Umrisse mittels eines gestellt wird.
Punktierrädchens und das Durchpulvern mit Malverfahren
Kohle- oder Röthelstaub.] Der Rand des
Papierstücks muss in gleicher Weise über- [Die Farbe kann nur mit Haarpinseln auf-
tragen werden, damit ersehen werden getragen und fertiggemacht nur mit spitzen
kann, wieviel überflüssiger Bewurf fortzu- Pinseln werden; daraus ergiebt sich die
nehmen ist. strichelnde Behandlungsweise. Gearbeitet
Sobald der Umriss durchgepaust ist, wird wird lasierend in Aquarellmanier, so dass
er mit einem Tuch leicht überwedelt, damit mit den hellsten Stellen angefangen und mit
die lockeren Staubteilchen entfernt werden; den dunkelsten geendigt wird. Mit dem
dann wird er mit einer breiten Stuccateur- Pinsel darf nicht gescheuert werden, damit
bürste angefeuchtet. / nicht der aufgelockerte Kalk sich mit den
Farben vermischt und der betreffenden Stelle
Farben em kalkiges, weisses Aussehen giebt. Damit
[Alle Erdfarben sind zu gebrauchen; alle die Farben möglichst brillant bleiben, dürfen
künstlich erzeugten sind dagegen mehr oder sie nicht mit Kalk gemischt werden. Muster-
weniger unsicher, namentlich die blauen und hafte Beispiele für die Freskotechnik bieten
die roten Farben. Ganz helles Cadmium ist Masaccio und Fiesole.]
freilich haltbar; dunkles Cadmium dagegen Man beginnt mit den Schatten und geht
(Orange) und Krapplack haben die besondere dann zu den Halbschatten und den helleren
Eigenschaft, dass der Sinter nicht durch sie Teilen über [oder, wie oben angegeben, um-
durchschlägt, woher sie leicht abpulvern. gekehrt]; diese Farben, die rasch aufgesogen
Zinnober und Preussisch-Blau werden gelb; werden und ihre Kraft verlieren, bilden den
Weiss wird grau.] Untergrund für die Farbe von stärkerem
Damit der Zinnober sich gut mit dem Kalk Körper. Bei diesem ersten Grunde sind
vermische, wird folgendes Rezept angegeben: warme und kräftige Töne zu vermeiden, da
auf reinen gepulverten Zinnober giess in solche sich später besser auftragen lassen
einem Thongefäss so reines Wasser wie mög- [oder man begnügt sich überhaupt mit einem
lieh, das aufkocht, sobald der Kalk darin einzigen Auftrag]. Wo grosse Farbflächen
gelöscht wird. Das Wasser wird dann fort- aufzutragen sind, muss dies mit einem breiten
gegossen und so oft neues aufgegossen, als [Haar-] Pinsel geschehen, und in solcher
nötig ist, damit der Kalk sich fest mit der Weise, dass man vermeidet, den Rand des
Farbe verbinde. vorhergehenden Pinselstrichs zu berühren.
Als Blau kannten die Alten nur ein Kupfer- Darauf wird eine halbe bis eine Stunde
präparat, aber weder Kobalt noch Ultramarin. gewartet, damit die Farbe sich einsaugen
Als Rezept für ersteres wird angegeben: kann. Der nun folgende zweite Farbenauf-
fünfzehn Teile Sodakarbonat, zwanzig Teile trag erfordert vollen Farbenkörper, doch
Feuersteinpulver und drei Teile Kupfer wohl- sollen dabei die Lichter nicht nach Art der
gemischt zwei Stunden lang über starkem späteren Venezianer mit zu viel Kalk ver-
Feuer kochen. mischt werden. Auch empfiehlt es sich nicht,
Zum .Malen wird gekochtes, noch leicht nach Tizians Art, die Schatten, wie in der
warmes Wasser empfohlen, besonders für das Oelmalerei, wohl in durchsichtigem Braun
Die Kunst für Alle XV. 17. 1 Juni 1900.
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Von W. v. Seidlitz
(Schluss aus dem vor. Hefte)
(Nachdruck verboten)
Pause Blau, und zwar Regenwasser, das nicht über
Die Kartonpause desjenigen Stückes, wel- Eisen geflossen ist, oder destilliertes Wasser,
ches an dem Tage gemalt werden soll, wird [Vor dem Zusetzen von Gelatine wird ge-
nun auf die feuchte noch weiche Wand gelegt warnt, da diese infolge der Feuchtigkeit fault
und die Umrisse werden entweder eingeritzt und schimmlig wird.]
oder durchgepunzt. Signorelli ritzte die Die Palette kann von Zinn [oder Blech]
Umrisse ein, Michelangelo bediente sich sein und durch einen hellen Firnissüberzug
der Punze. [Zur Vorritzung bedient man vor dem Rosten geschützt werden; eine Rinne
sich eines Hölzchens, doch kann durch den dient zum Auffangen der abfliessenden Feuch-
Druck leicht die Struktur des Marmorüber- tigkeit. Auch kann eine Marmorplatte Ver-
zugs verletzt werden; rationeller erscheint wendet werden, die dann in der Nähe auf-
das Durchstechen der Umrisse mittels eines gestellt wird.
Punktierrädchens und das Durchpulvern mit Malverfahren
Kohle- oder Röthelstaub.] Der Rand des
Papierstücks muss in gleicher Weise über- [Die Farbe kann nur mit Haarpinseln auf-
tragen werden, damit ersehen werden getragen und fertiggemacht nur mit spitzen
kann, wieviel überflüssiger Bewurf fortzu- Pinseln werden; daraus ergiebt sich die
nehmen ist. strichelnde Behandlungsweise. Gearbeitet
Sobald der Umriss durchgepaust ist, wird wird lasierend in Aquarellmanier, so dass
er mit einem Tuch leicht überwedelt, damit mit den hellsten Stellen angefangen und mit
die lockeren Staubteilchen entfernt werden; den dunkelsten geendigt wird. Mit dem
dann wird er mit einer breiten Stuccateur- Pinsel darf nicht gescheuert werden, damit
bürste angefeuchtet. / nicht der aufgelockerte Kalk sich mit den
Farben vermischt und der betreffenden Stelle
Farben em kalkiges, weisses Aussehen giebt. Damit
[Alle Erdfarben sind zu gebrauchen; alle die Farben möglichst brillant bleiben, dürfen
künstlich erzeugten sind dagegen mehr oder sie nicht mit Kalk gemischt werden. Muster-
weniger unsicher, namentlich die blauen und hafte Beispiele für die Freskotechnik bieten
die roten Farben. Ganz helles Cadmium ist Masaccio und Fiesole.]
freilich haltbar; dunkles Cadmium dagegen Man beginnt mit den Schatten und geht
(Orange) und Krapplack haben die besondere dann zu den Halbschatten und den helleren
Eigenschaft, dass der Sinter nicht durch sie Teilen über [oder, wie oben angegeben, um-
durchschlägt, woher sie leicht abpulvern. gekehrt]; diese Farben, die rasch aufgesogen
Zinnober und Preussisch-Blau werden gelb; werden und ihre Kraft verlieren, bilden den
Weiss wird grau.] Untergrund für die Farbe von stärkerem
Damit der Zinnober sich gut mit dem Kalk Körper. Bei diesem ersten Grunde sind
vermische, wird folgendes Rezept angegeben: warme und kräftige Töne zu vermeiden, da
auf reinen gepulverten Zinnober giess in solche sich später besser auftragen lassen
einem Thongefäss so reines Wasser wie mög- [oder man begnügt sich überhaupt mit einem
lieh, das aufkocht, sobald der Kalk darin einzigen Auftrag]. Wo grosse Farbflächen
gelöscht wird. Das Wasser wird dann fort- aufzutragen sind, muss dies mit einem breiten
gegossen und so oft neues aufgegossen, als [Haar-] Pinsel geschehen, und in solcher
nötig ist, damit der Kalk sich fest mit der Weise, dass man vermeidet, den Rand des
Farbe verbinde. vorhergehenden Pinselstrichs zu berühren.
Als Blau kannten die Alten nur ein Kupfer- Darauf wird eine halbe bis eine Stunde
präparat, aber weder Kobalt noch Ultramarin. gewartet, damit die Farbe sich einsaugen
Als Rezept für ersteres wird angegeben: kann. Der nun folgende zweite Farbenauf-
fünfzehn Teile Sodakarbonat, zwanzig Teile trag erfordert vollen Farbenkörper, doch
Feuersteinpulver und drei Teile Kupfer wohl- sollen dabei die Lichter nicht nach Art der
gemischt zwei Stunden lang über starkem späteren Venezianer mit zu viel Kalk ver-
Feuer kochen. mischt werden. Auch empfiehlt es sich nicht,
Zum .Malen wird gekochtes, noch leicht nach Tizians Art, die Schatten, wie in der
warmes Wasser empfohlen, besonders für das Oelmalerei, wohl in durchsichtigem Braun
Die Kunst für Alle XV. 17. 1 Juni 1900.
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