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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Voll, Karl: Die internationale Kunstausstellung 1900 der Münchener Secession, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0502

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•^r-£Ö> DIE SOMMER-AUSSTELLUNG 1900

scheint das der Frau Heilbronner am meisten
Anklang zu finden. Leo Samberger's Bild-
nisse sind nicht ganz gleichartig an Wert und
Wirkung; neben dem frisch aufgefassten Porträt
des Malers Buchner nimmt sich das allzu poeti-
sche des Bildhauers Flossmann, das übrigens
mit dem des Bildhauers Balthasar Schmitt für
die Pinakothek erworben wurde, nicht gleich
günstig aus. Fritz Burger's männliches
Porträt ist von grösserer Zurückhaltung
als sonst, was mir sehr vorteilhaft zu sein
scheint. Habermann erlöst uns heuer ein
wenig von dem Banne, den er durch die
endlose Wiederholung des gleichen Motivs
einige Jahre über uns verhängt hatte. Das
Bildnis seiner Mutter interessiert uns lebhaft
durch die elegante geschmeidige Technik,
obwohl die Forcierung des milden liebens-
würdigen Ausdrucks zu einer gewissen nicht
sehr ansprechenden Süsslichkeit führt. Eine
sehr gewissenhafte und dabei überraschende
Arbeit ist Anetsberger's „Pferdewärter" (Abb.
i. nächsten Heft), der ein edles Pferd am
Zaume hält, damit es dem Maler, von dem
es porträtiert wird, ruhig Modell stehe.

ANDERS ZORN AUF DER TREPPE

Max Liebermann's berühmtem Bilde
„Altmännerhaus", das die Leser d. Z. be-
reits in deren III. Jahrg. (H. 17) abgebildet
finden, begegnet man hier mit Vergnügen.
Es ist sehr lehrreich, wenn derlei alte Sachen,
die vor Jahrzehnten so grosses Aufsehen
erregt haben, im Trubel der Ausstellungen
wieder auftauchen. Wenige Bilder halten sich
so gut wie dieses und zwar hält sich das
„Altmännerhaus" in zweifacher Hinsicht gut:
einmal weil trotz namhafter, von Liebermann
längst überwundener Feinmalerei der künst-
lerische Wert an sich bedeutend ist, dann
aber weil man sieht, wie viel von diesen
noch halb altmeisterlichen Arbeiten aus vor-
wärts gebracht worden ist. So ein Werk
steht vor uns wie ein ehrwürdiger Veteran
aus der grossen Zeit. Man darf Liebermann
als dem Begründer der modernen deutschen
Malerei wohl denjenigen gegenüberstellen, der
sich in Bezug auf die Farbe am weitesten fort-
schrittlich — im guten Sinne des Wortes -
zeigt: Max Slevogt. Sein „verlorener Sohn"
hat in Berlin und Wien ähnliches Aufsehen
erregt wie seiner Zeit Liebermanns „ Altmänner-
haus" ; aber man wird ihm wohl ein noch
besseres Schicksal als diesem prophezeien
dürfen. Das Werk ist von jener ausserordent-
lichen Konsequenz, die nur ganz grossen
Thaten eignet. Es ist, was die Technik an-
langt, nur auf die Farbe gestellt und was die
Auffassung betrifft, nur auf die zum Teil so
grausamen Thatsachen, die der biblische Text
giebt, ohne dass sentimentale Anwandlungen
oder Bedürfnisse Raum finden. Ein armer
nahezu verhungerter Kerl, der den Schweinen
um ihr ekelhaftes Futter neidisch war und trotz
allen Jammers, im Bewusstsein seiner Schuld
lange nicht gewagt hat, in das behagliche Eltern-
haus zurückzukehren, fasst endlich in seiner
bitteren Verzweiflung den Mut, beim schwer
gekränkten Vater Hilfe und Verzeihung zu
suchen. Unvermutet — wen hätte der Aermste
auch als Bote schicken können, — öffnet er
die Thüre des Wohnzimmers, wo sein Vater
sitzt. Den ergreifenden Augenblick des
Wiedersehens hat Slevogt dargestellt in einer
psychologisch klaren Anschauung und momen-
tanen Schärfe, wie sie selten zu treffen sein
mögen; über den Missklang des grellen Kon-
trastes von äusserstem Elend und stiller Wohl-
habenheit hebt er uns hinweg durch die Pracht
der ausserordentlich reichen Farbe. Die emi-
nente Poesie des Kolorits aber hat er — und das
ist die Konsequenz seiner Schaffensweise —
nicht zum lügenhaften Verheimlichen dessen,
was unangenehm sein muss, benützt und so
ist der so jämmerlich heruntergekommene

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