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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Muthesius, Hermann: Zeichenunterricht und "Stillehre"
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0512

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.-B-SS)- ZEICHENUNTERRICHT UND „STILLEHRE" ^

Gesellschaft als vorbildlich hingewiesen, die durch sein Unterrichtswesen, das es sogar
Art for Schools Association, die sich die Auf- in unwürdiger Weise vernachlässigt hat.
gäbe gestellt hat, die Schulzimmer zur künstle- Aber in England hat seit nunmehr fünfzig
rischen Anregung der Schüler mit guten Bil- Jahren die Ueberzeugung geherrscht, dass
dern zu schmücken. Die englischen Kunst- Gewerbe und Kunst, sowie das als Grundlage
erziehungsverhältnisse können überhaupt in derselben dienende Kunstverständnis im Volke
viel weitgehenderem Masse für uns mass- nur durch eine aufmerksame Pflege des
geblich und vorbildlich sein. In England hat Zeichenunterrichtes gehörig unterstützt werden
seit dem Jahre 1851, dem Jahre der ersten könnten. Als der Volksschulunterricht staat-
Weltausstellung in London, die den grossen lieh organisiert wurde (es geschah dies erst
Tiefstand des künstlerischen Verständnisses 1870, also ungemein viel später als in anderen
im Volke feststellte, eine regelrechte Er- Kulturstaaten), da war man sich ebenfalls der
Ziehung des Volkes zur Kunst stattgefunden, grossen Bedeutung des Zeichenunterrichts be-
an der wir uns heute ein Beispiel nehmen wusst, man erhob das Zeichnen zu einem
können. Damals wurde das South Kensington- der vier Grundfächer des Lehrplanes (Lesen,
Museum gegründet als Mittelpunkt eines auf Schreiben, Rechnen, Zeichnen), die für die
eine neue Basis gestellten künstlerischen kleinste Art von Schulen zwingend sind. In
Zeichenunterrichts, von dem aus eine wohl- den Londoner Volksschulen steht der Zeichen-
organisierte Leitung des künstlerischen Unter- Unterricht auf einer Höhe, die geradezu er-
richts des ganzen Landes ausging. Dieser staunlich ist, man widmet dem Zeichnen an
Einfluss reicht bis auf die Volksschulen, vielen Schulen vier Stunden wöchentlich
England glänzt im allgemeinen gewiss nicht (mindestens jedoch zwei) und betreibt es in den

meisten Schulen auf ganz künst-
lerischer Grundlage. Man quält
nicht Vorlagen nach, sondern geht
zur Natur. Im Sommer versorgt
die Stadt jede Schule für jede
Zeichenstunde mit einem Korb
frischer Pflanzen. Im Winter
werden die im Sommer gefertigten
Pflanzenstudien stilisiert und zur
Füllung von Flächen, Anfertigung
von kleinen dekorativen Entwürfen
u. s. w. verwendet. Wer auf den
jährlich stattfindenden Zeich-
nungs-Ausstellungen die Früchte
dieses Unterrichtes zu sehen Ge-
legenheit gehabt hat, der muss
sich des weiten Abstandes be-
wusst geworden sein, der zwischen
den englischen Unterrichtsergeb-
nissen und den unsrigen vorliegt.
Aber nicht in der Volksschule
allein finden wir dem Zeichen-
unterricht eine hervorragende
Bedeutung beigemessen, auch auf
den zahlreichen, und gerade in
den letzten zehn Jahren im weiten
Umfang gegründeten technischen
Elementarschulen wird er eifrigst
gepflegt. Und immer in einer
ganz freien, künstlerischen Art,
immer an der Hand des Natur-
studiums, das die Grundlage für
jeden künstlerischen Unterricht
zu bilden hat. Die Vorlage jeder
vom bauernball Art lst verbannt, man fuhrt den

Ausstellung 1900 der; Münchener Secession Schüler direkt VOr die NatllT.

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