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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Kreowski, Ernst: Vom "Blitz des Pinsels", [1]: Kunstplauderei von Ernst Kreowski
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0515

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■^d> VOM „BLITZ DES PINSELS" -CSsS^

OTTO H. ENGEL SPAZIERGANG
Ausstellung 1900 der Münchener Secession

Finger, später sogar mit den Fusszehen malte,
war der Niederländer Kettel, aber zweifels-
ohne mehr ein Sonderling als ein Maler. Der
andere war der um 1650 thätige Kirchenbilder-
maier Philipp Westphal, dem man nachsagte,
dass er auf einer Altartafel mit Propheten
den Daniel, zu welchem ihm der Organist
der Kirche Modell gestanden, ebenfalls mit
den Fingern gemalt haben soll. Ein für alle-
mal: „Nur der Raffael, sagt Friedr. Theodor
Vischer in seinem einzig herrlichen Werk:
,Das Schöne und die Kunst', der gemalt und
sich malend bemüht hat mit seiner Hand, nur
der hat auch so geschaut, wie er geschaut
hat"; das will sagen, er war ein Meister auch
in der Technik. Und auf die Beherrschung
dieses rein äusserlichen formalen Elements
haben die grossen Künstler zu allen Zeiten
etwas, sogarsehr viel gehalten. Imgriechischen
Altertum, namentlich aber im Mittelalter, wo
sich, wie dort, die Maler noch schlechtweg
„Handwerker" nannten, benutzten sie die
Bravour der Technik nicht selten — wir
brauchen nur an die „Meisterprüfungen" zu

denken — als Merkmal und Erkennungszeichen
wahrhaftiger oder wenigstens fertiger Künstler-
schaft. Da wundern wir uns nicht mehr,
wenn Apelles, als er den Maler und Erzgiesser
Protogenes auf Rhodos besuchte, diesem in
dessen zufälliger Abwesenheit eine mit dem
Pinsel „per tabulum" gezogene Linie von
höchster Feinheit gewissermassen als Visiten-
karte zurückliess, durch welche Protogenes
denn auch richtig sofort den Besucher erkannte,
ohneihngesehen zu haben. Dass nun Protogenes
auch seinerseits eine Linie mit einer anderen
Farbe daneben zog, sollte dem Apelles sicherlich
doch nichts anderes andeuten, als: „Anch' io
sono pittore", was dieser auch unumwunden
anerkannte. Aehnliches wird von Michelangelo
erzählt, indem er, um das Verdienstliche solch
eines Umrisses zu zeigen, als gelegentlich
von Apelles Wettstreit mit Protogenes die
Rede war, einen Zeichenstift ergriff und vom
Fuss anfangend die vollendete Gestalt eines
nackten Menschen mit einem einzigen Striche
hinwarf. Berühmt war ein Christuskopf, den
einst der Pariser Radierer Claude Mellan

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