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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Kreowski, Ernst: Vom "Blitz des Pinsels", [1]: Kunstplauderei von Ernst Kreowski
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0516

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«b-5^> VOM „BLITZ DES PINSELS"

mittelst einer einzigen Spirallinie zu stände Jahren geraume Zeit lang als Modespiel bei
brachte. Dieselbe fängt auf der Nasenspitze alt und jung behauptete. Eine Sammlung
an, verstärkt sich in den Schatten, läuft wieder solcher mittels Tinten- und Kaffeeklexen ent-
feiner aus, um die Lichter zu bilden, un- standener, sodann ausgezeichneter Bilder des
unterbrochen fort um den Mittelpunkt bis in Dichters nebst phantastischen Gelegenheits-
die äussersten Winkel des Blattes, sich dabei poemen dazu ist vor einiger Zeit erschienen
in welligen Windungen nach den Formen und im Besitz der Stuttgarter Hof- und Staats-
schmiegend. Dies Kunststück erinnert mich bibliothek. Zu Ende der vierziger Jahre war
an den „grossen" Wilhelm Kaulbach, der es auch, wo die humoristischen „Kaffee-
solcherlei aus einer ununterbrochenen Linie Klexbilder" von Wilhelm Kaulbach und seinen
erwachsende Ritter, Blumentöpfe, „lustige" beiden Schülern Michael Echter und Julius
und „traurige" Hühnchen etc. gern in fröhlicher Muhr in gemütlichen Plauderstunden ent-
Gesellschaft alla prima zu produzieren pflegte. standen. Die drei Künstler lebten nämlich
Dieser rein äusserlichen Formenspielerei ver- in den Jahren 1847—50 bei dem damaligen
dankten auch die sogenannten „Klexbilder" Museumsdirektor von Olfers in Berlin, als
desselben Künstlers ihr Entstehen. Gleich- sie dort die grossen kulturhistorischen Wand-
wohl möchte ich mit gutem Grund Justinus gemälde ausführten. Nach der Mitteilung des
Kerner als den eigentlichen Vater der „Klexo- Herausgebers jener humoristischen, im Besitz
graphie" bezeichnen, welche der berühmte der kgl. National-Galerie befindlichen Hand-
Dichter nach eigenen Mitteilungen schon in Zeichnungen erfreute sich Direktor v. Olfers
frühester Jugend, wenn auch unkünstlerisch, eines besonderen Rufes in der Zubereitung
betrieben hatte. Seine zunehmende Erblindung von Kaffee und hatte das Vergnügen, die ge-
im Alter veranlasste ihn dann wieder, jene nannten drei Künstler fast täglich mit ihrem
Jugendspielerei aufzunehmen und dieselbe Lieblingsgetränk zu bewirten. Zum Dank
systematisch mit Zuhilfenahme der Feder oder dafür hatten diese sich verpflichtet, das Skizzen-
des Bleistifts weiter auszubilden. So kam buch des gefälligen Wirtes mit humoristischen
es, dass das 'Spiel mit den Klexen bald weiteste Einfällen ihres Griffels zu bereichern. Da
Verbreitung fand und sich 4in den vierziger aber das Zeichenmaterial nicht immer von

guter Beschaffenheit war, schlug Kaulbach
eines Tages vor, statt des Bleistifts Schwefel-
hölzer und statt der Tusche den natürlichen
Umbraton des Kaffees zu benutzen. Nach-
dem die Künstler so eine Anzahl Blätter
hergestellt hatten, kamen sie auf die heitere
Idee, dem blossen Zufall die Anregung zu
der Zeichnung zu überlassen. Ein oder
mehrere auf ein Blatt Papier geschüttete
Tropfen Kaffee oder deren durch Aufsetzen
einer nassen Tasse entstandene zufällige
Formen gaben der Phantasie des Künstlers
eine Silhouette, aus der er dann die zum
Teil von köstlichem Humor durchwehten
Zeichnungen fertigte und welche bald Ber-
liner Lokaltypen, bald auch allerhand son-
stige Fabelwesen in karikierter Menschen-
oder Tiergestalt darstellen.

Mögen aber auch alle diese Spielereien
so genial sein, wie sie wollen, so steht doch
fest, dass sie mit der Kunst nur eine ent-
fernte Verwandtschaft haben. Eher scheinen
sie mir bemerkenswert zu sein für die
Hinneigung der unzweifelhaft vollendeten
Meisterschaft dieser Künstler zum „bravour-
artigen, allzuwohl Geölten", wovon Vischer
spricht, „so dass man am Ende keine Ini-
tiative von innen heraus mehr spürt". Es
korzendörfer BILDNIS DES HERRN A. OE. sind Virtuosenstückchen, die die äusserste

Ausstellung 1900 der Münchener Secession

Grenze der technischen „Handfertigkeit"

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