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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Pecht, Friedrich: Die deutsche Kunst an der Wende des Jahrhunderts, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0559

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-sr4^> DIE DEUTSCHE KUNST

aber da hat er auch nicht seinesgleichen, Lenbach schon sehr früh ein so merkwürdiges
da erreicht ihn so wenig ein zweiter Deutscher Verständnis für alles Detail der Form —
als irgend ein jetzt lebender Ausländer. Wir vielleicht als Folge seiner Kurzsichtigkeit,
haben aber schon in unserem ersten Artikel die ihn nötigt, beim Malen den Leuten sehr
darauf hingewiesen, dass diese Ueberlegen- auf den Leib zu rücken — dass man
heit vor allem in dem tieferen Verständnis diese Schärfe in Wiedergabe aller Feinheiten
der Charaktere bedeutender Menschen liegt, der Form, besonders der Augen, wohl bei
Hier übertrifft denn auch der Schrobenhauser keinem modernen Maler ähnlich wiederfinden
Maurerssohn alle Rivalen, während er in wird, die alle mehr bloss auf die Wirkung
manchem anderen hinter ihnen zurückbleibt, in die Ferne ausgehen. Vielleicht mit Aus-
Das ist aber doch wohl Genie: Diese Fähig- nähme von Leibl, dessen Stärke auch in
keit, die verschiedensten Charaktere zu ver- dieser ausserordentlichen Durchbildung des
stehen und in ihrer Eigenart wiederzugeben, Details besteht. Ohne indes Lenbach's beste
in der ihn weder Winterhalter noch Arbeiten zu erreichen, die jedoch fast alle
A.merling oder Magnus — seine unmittel- — wohl ihrer Ausführlichkeit halber — in
baren Vorgänger — je erreichten?! Bismarck seine früheste Zeit fallen. So malte er schon
wusste also wohl, warum er ihn allen anderen anfangs der sechziger Jahre eine jüngere
vorzog, ja ihn sogar zu seinem Freunde Schwester mit so grenzenlosem Studium des
machte! Schüler von Piloty hat er indes von Details der Augen, dass daneben alles, was
diesem weit weniger als von den alten Meistern andere in dieser Art geleistet, verblasste.
gelernt, die er, sobald er erst Italien besucht, Denn diese Ausführlichkeit diente bei ihm
mit Leidenschaft studierte. Dabei offenbarte immer der Schilderung des Charakters, war

vollkommen bewusst, nicht naiv,
was Lenbach überhaupt nicht ist.
So führte er bei einem Bildnis
Se.mper's, das er zu Anfang der
siebziger Jahre malte, dessen
Nasenspitze so charakteristisch in
allen ihren kleinen Flächen aus,
dass sich der höchst eigenartig
launenhafte Charakter des be-
rühmten Architekten schon voll-
ständig in dieser Nase aussprach.
— Solch scharfe Erfassung des
Seelenlebens, das ja die Besonder-
heit dieser Formen erst hervor-
gebracht, hat überhaupt seit Dürer
und Holbein kein Maler mehr ge-
geben. Sie ist aber ein echt natio-
naler Zug, der fast allen unseren
grossen Männern, nicht nur den
Malern, eignet, bei Bisaiarck wie
bei Goethe hervortritt. Natürlich
ist der fünfundsechzigjährige Len-
bach jetzt solcher Schilderung nicht
mehr in dem Grade fähig wie der
fünfundzwanzigjährige, dennoch
liegt gerade da seine unvergleich-
liche Stärke, die allerdings mit
Liebe viel weniger zu thun hat
als mit durchdringendem Geiste.—
Jene findet man dagegen ganz
wunderbar bestechend bei Deereg-
ger, nächst Lenbach unstreitig
dem genialsten unserer Maler. Ist

RICHARD HEIMANNS «««CHARLES FELU jhm der erste darjn uberlegen,

IN SEINEM ATELIER , ,. .. .& '

jahres-Auss.ellung im Münchener Claspalas. daSS er d.ie g^Stlg bedeutendsten

(Stehe auch Seile 496 (H. 21) des laufenden Jahrganges) Männer, ja so gewaltige Charak-

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