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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 15.1899/​1900

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Habich, Georg: Lehrjahre der Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.12046#0588

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^r4^> LEHRJAHRE DER PLASTIK <^=^

Stilgefühl anbelangt, minder Begabten nicht aus, auf den Werkplätzen gross geworden sind, dass ihre
und allgemach begann man darüber nachzudenken, Lehre durch die Erzgiesserei und über den Steinhauer-
worin denn der unplastische Charakter eines solchen platz gegangen ist, während heutzutage kaum einer
angemalten Gipsgebildes eigentlich bestehe. Je nach- über das hinauskommt, was die Akademie aus ihm
dem die Beurteiler Aesthetiker, Archäologen oder gemacht hat, über den Modelleur. Freilich wird ja
Künstler vom Fach waren, fand man den Grund in der Modellierunterricht mit der technischen Unter-
der Nichtbeachtung monumentaler Prinzipien« oder Weisung Hand in Hand zu gehen haben; berühmte
in der 'dem Prinzip des Plastischen zuwider- Beispiele aus der heurigen Secessions-Ausstellung
laufenden« Bemalung oder in dem Mangel an >in- in München beweisen nur allzu deutlich, dass es
dividueller Handschrift« und jener 'Souveränen mit dem Steinblock allein noch nicht gethan ist.
Mache«, die immer bei der jeweilig jüngsten Hellmer fordert daher von der Reorganisation der
Künstlergeneration am höchsten im Preise steht. Akademie, die er anstrebt, eine gleichmässige Ver-
Damit näherte man sich wohl der Wahrheit in teilung der Lehrstunden auf Modellieren und
konzentrischen Kreisen, aber man ging 'Blindekuh; Meissein, woran sich in den späteren Lehrjahren
um sie herum. die Erlernung des Bronzegusses und der damit zu-

Den Weg zur richtigeren Erkenntnis angebahnt sammenhängenden Hilfstechniken anzugliedern hätte,
zu haben, bleibt das Verdienst der Kunstwissen- Dabei übersieht er nicht die Schwierigkeiten,
Schaft: In der Betrachtung der antiken Plastik, wo- die seinem Plan entgegenstehen: vor allem die
bei, von wenigen glücklichen Ausnahmen abgesehen, Kostspieligkeit der Materialbeschaffung. Er denkt
die Forschung bekanntlich, fast ausschliesslich mit an Verwendung von Abfällen aus den grossen Mar-
späteren Kopien in Marmor — in Marmor aucb, morbrüchen und die Einrichtung einer »Versuchs-
wenn das Original Bronze oder ein anderes Material giesserei«. In München wird nach Anleitung Hilde-
verwandte — zu rechnen hat, war man darauf ge- brands einfacher Kalkstein verwandt, und gewiss
kommen, gewisse Unterschiede in der Formen- eignet sich das Kelheimer Material gerade vermöge
spräche festzustellen, die sich als unterscheidende seines groben Kornes vortrefflich dazu, die Tendenz
Merkmale für Bronze oder Marmor verwerten Hessen, auf breite Anlagen der Form anzubahnen und aus-
und umgekehrt konnte man dann mancherlei formal- zubilden. Uebrigens scheint uns auch das Schneiden
stilistische und mehr als das, sogar kompositioneile in Gips, eine Manier, die beispielsweise Stuck bei
Erscheinungen aus der Technik, aus dem Wesen seinen Kleinbronzen mit so viel Erfolg verwendet,
und der Bearbeitung des so verschieden gearteten kein verächtliches Mittel, um eine gewisse Hand-
Materials erklären. Dass schülerhafte
Uebertreibung dann bald doktrinär von
dem antiken Bronze- und Marmorstil«
faselte, konnte der Bedeutung jener
Kriterien keinen Eintrag thun.

Bekanntlich ist es jedoch nicht die
Art des modernen Künstlers, von
andern als von sich oder allenfalls
von Fachgenossen zu lernen, und so
blieb es einem ausübendem Künstler,
Adolf Hildebrand, vorbehalten, der
Bedeutung des Technischen für die
Plastik, insbesondere der Wichtigkeit
der Steinarbeit für die Bildhauerei
wieder Geltung zu verschaffen in der
ausübenden Kunst selbst. Eine Reihe
von Versuchen, direkt nach dem Mo-
dell in Stein zu hauen, also die Figur
auch im Stein zu komponieren, haben
gelegentlich die letzten Ausstellungen
der Münchener Secession die Frucht-
barkeit dieses Prinzips bereits er-
wiesen. Schon plant man in München
sogar die Errichtung einer nach solchen
Grundsätzen geleiteten Fachschule
von künstlerisch auszubildenden Stein-
metzen, die gewiss eine wesentliche
Erweiterung und Befruchtung der land-
läufigen Kunstgewerbeschulen bilden
könnte.

Aehnliche Ziele hat nun auch
Hellmer mit seinem oben zitierten
Schriftchen im Auge. Nach Massgabe
der Alten verlangt er, soll man wieder
beginnen, aus dem Material heraus zu
komponieren. Aus der einseitigen Aus-
bildung des modernen Bildhauers im
Modellieren, aus der ausschliesslichen
Thon- und Wachsarbeit resultiert nach
Hellmer der durchgehende Mangel an
plastischem Empfinden. Es ist richtig:
vor der Antike hat man fast durchwegs J.-b.-S. CHARDIN DER ZEICHNER

die Empfindung, dass diese Künstler Pariser-Weltausstellung • „Collection Freiieric-le-Grand-

Die Kunst für AUe XV.

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