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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Langheinrich, Franz: "Es war ein gutes Augenpaar": zur 10. Wiederkehr des Todestages von Hans Thoma
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0077

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Emil Nolde. Hülltoft-Hof

Landschafts-Ausslellung Hamburg

schließt, hinterläßt Hans Thoma ein Lebenswerk
von fast 2000 Gemälden. 1000 graphischen Blät-
tern in Steindruck und Radierungstechnik und un-
zählige Zeichnungen, neben manch interessantem
Buch \mi manch schönem Entwurf für kunstge-
werbliche und architektonische Schöpfungen.
Er klingt so einfach, dieser Lebenslauf. L'nd doch
hat er durch Tiefen und über Höhen geführt, ist
reich gewesen an Licht wie an Schatten — Früh-
ling, Sommer und Herbst gingen mit wechselnden
Gestirnen auch über ihn hin, und als der letzte Tag
sich neigte im Xovemberlicht. faltete der Heimkeh-
rende gottergeben die müdgewordenen Hände:
,.Möge doch meine Seele friedlich heiter und gern
zurückkehren in die Heimat, aus der sie stammt."
Die Heimat, nach welcher der Greis sich zurück-
sehnte, war ihm immer Gott in der Xatur. die Xa-
tur in Gott gewesen. Wir sprachen von der Reinheit
in Thomas Schaffen — diese Reinheit war eben
Xatur. Hans Thomas ganzes Schaffenswerk ist so
zuliefst in der Xatur verwurzelt, daß er selber, wie
der ganze Mensch, als Xatur erscheint. Ein Erleb-

nis, das er einst in entzückender Weise schilderte,
enthüllt die naturhafte Seele dieses Künstlers wie
im Lichte eines Sommertags. Er war. wie er sagt,
ausgezogen in trüber Stimmung, das uralte Lächeln
der Menschheit zu suchen. ..In solcher Stimmung",
erzählt er, ,,ging ich durch den sonnigen Tag dahin.
Ich kam an einen Garten, in dem ein fast versteck-
tes Häuschen war. Ich blieb vor dem Tore stehen,
denn aus diesem Garten erschollen seltsame Töne,
so daß ich nicht wußte, soll ich mich nahen, soll ich
fliehen. Etwas von einer Menschenstimme glaubte
ich zu hören — aber es war ein Geplapper: ra ra ra
la la la ri ro, ni o a la ma mu me ba sa sa — dazwi-
schen quiekste es wie ein junges Schweinchen, dann
hörte ich Töne, wie man sie anschlägt, wenn man
sich über etwas höchlich verwundert: ah, uh, uh,
oh, oh. ih. ih — dann lachte es wie eine Turteltaube,
dann bellte es au au au. Deutlich war auch der Ruf
der Wildtaube: gru gru. gru gru. Xun schien die
Stimme weinerlich, dann wieder fröhlich bis zum
Jubeln und Jauchzen. Ich konnte meine Neugierde
nicht mehr unterdrücken, und da ich doch auf Aben-

Kunst f. Alle. Jahrg. 50, Heft S. Oktober 1924

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