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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Bartning, Otto: Die Gustav-Adolf-Kirche in Charlottenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0161

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neuerung redlich bemüht, wird schon aus diesem
Grunde das Bauprogramm von Fall zu Fall neu
entwickeln müssen."

„Vorbildliche Kirchenbauten alter und neuer Zeit
mögen noch so wertvolle Anknüpfungspunkte bie-
ten, niemals vermögen sie ein Rezept darzustellen.

Grundriß der in Fächerform gebauten
Gustav-Adolf-Kirche in Chariottenburg

Evangelischer Kirchbau ist sichtbarer Ausdruck re-
formatorischen Christentums: Bau und Gemeinde
erneuern sich von Grund auf ständig. Oder beide
hören auf, lebendig zu sein.'"

„In den letzten Jahren ist mancher Kirchbau ent-
standen, der in allzu gefälliger Weise an Stim-
mungsbedürfnisse appelliert, die jeglicher prote-
stantischen Haltung widersprechen. Auf Kosten
liturgischer Notwendigkeiten und unter Mißach-
timg konstruktiver Gesetze wurde oft ein magi-
scher Zauber entfaltet, der zwar Erinnerungen an
vergangene Zeiten erweckte, und deshalb .gefiel7,
im übrigen aber die Problemstellung protestan-
tischer Gestaltung geflissentlich umging."
Diese Sätze sind grundsätzlicher Art, aber sie er-
läutern auch zugleich den geistigen Gehalt der
neuen Kirchenschöpfung Otto Bartnings in treff-
licher Weise. Die Problemstellung aber, die im
wesentlichen mit der Bedeutung von Altar und
Kanzel zusammenhängt, sei an einigen Beispielen
aus der Geschichte des protestantischen Kirchen-
baus und an solchen, die das Ringen Bartnings
selbst um die Lösung veranschaulichen, erläutert.
Ein im Grundriß dreieckförmiger Entwurf des be-
kannten Kirchenbautheoretikers Chr. Leonhard
Sturm Anfang 18. Jahrh. bringt Altar und Kanzel
gemeinsam in einem Winkel des Dreiecks unter.
Die Sitzplätze für die Gemeinden sind mit dem
Blick auf diesen Winkel fächerartig ausgerichtet.
Bei der winkelförmigen Anlage, die Schickhaidt
1601 —1608 in Freudenstadt erbaut hat, liegen Altar
und Kanzel ebenfalls in einer Ecke. Die Form des
Grundrisses bringt aber den Nachteil mit sich, daß die
Gemeinde in zwei Teile auseinandergerissen ist. Den
hier angedeuteten Grundgedanken hat Bartning in
seiner 1908 in Königgrätz erbauten Kirche wei-
ter entwickelt, wobei bereits ein starkes Hin-
neigen zur Fächerform zu erkennen ist. Sein
Modell einer Sternkirche aus dem Jahre 1922

bringt für die Anordnung der Gemeinde im Kirchen-
raum den Dreiviertelfächer, dessen Mittelpunkt mit
der Kanzel zusammenfällt. Eine ähnliche Ringform
weist die in den Jahren 1929—1950 ausgeführte
Auferstehungskirche in Essen auf: jedoch sind Kanzel
und Altar aus der Mitte herausgerückt. Einen we-
sentlichen Schritt näher zu der für die Gustav-
Adolf-Kirche gewählten Lösung bedeutet die Stahl-
kirche in Essen. \ on den schräg gerichteten Um-
fassungswänden an ist hier alles auf einen Brenn-
punkt ausgerichtet. Auf die Ausbildung eines be-
sonderen Chors ist verzichtet und der Altarplatz
in den Kirchraum einbezogen, um Gemeinde und
Pfarrer in möglichst nahe Verbindung zu bringen.

Fächerkirche in Königgrätz
von Otto Bartning, 1908

Winkelhakenkirche in Freuden-
stadt von Schickhardt, 1 £01 —8

Rundkirche in Essen von
Otto Bartning, 1929—30

Dreieckskirche, Entwurf von
Chr. teonhard Sturm, 171)

Sternkirche, Modell von
Otto Bartning, 1922

Strahlkirche in Essen von
Otto Bartning, Köln 1928

Betrachtet man nach diesem Rückblick den Grund-
riß der Gustav-Adolf-Kirche in Charlottenburg, so
erkennt man, daß sich die aus städtebaulichen
Überlegungen entwickelte mit der sich aus den

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