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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 50.1934-1935

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Christoffel, Ulrich: Holbein, Leibl und die malerische Sachlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.16482#0211

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druckes, wie sie der Künstler nur aus
einer reifen innern Erfahrung und
einem eigentlichen Hineinschauen in
die Wirklichkeit bildlich zur Geltung
bringen kann. Darf man nicht bei-
nahe mit Jakob Böhme sagen, daß
man in diesen Blumen ..die Kraft
Gottes sieht, riecht und schmeckt'"?
Sachlichkeit ist nicht ein "Weglassen,
Glätten, Verdünnen, sondern ein Ver-
dichten der Natur und ein letztes Aus-
schöpfen der Dinge, daß sie selber in
das Bild eingehen und nicht nur ober-
flächlich darin gespiegelt werden.
Ilolbein und Leibi haben das Körper-
hafte auch da, wo sie es in das dünn-
maschige Netz ihrer Linearität einfan-
gen, immer räumlich frei empfunden,
und man muß sich nur die Bauernpaare
von Leibi oder die Doppelbildnisse
von Holbein, wie den Thomas God-
salve und seinen Sohn oder die Ge-
sandten vergegenwärtigen, um zu
erkennen, wie sich das Nebenein-

Hans Holbein d. J. Sir Thomas Godsalve und sein Sohn John

seine Frau und seine Kinder aus vertraulichster
Lebensnähe porträtierte, ist in einer feinfüh-
ligen, warmen Tonigkeit gehalten, die den Bea-
lismus der Zeichnung malerisch überflutet und
verschleiert, wie die ersten Bilder von Leibi, die
Frau Gedon, der Kölner Pallenberg, oder um
bei der Ähnlichkeit des Motivs zu bleiben, die
Dachauerin mit Kind in Berlin in einer ton-
reichen, das Lineare weich umfangenden Gelöst-
heit gemalt sind. Alan könnte beinahe bedauern,
daß diese Anfänge der beiden Künstler nicht
zu einem großen, polvphonen malerischen Stil
führten und daß der Weg bei Holbein und Leibi
scheinbar zur Enge, vom Raumbild zum Flächen-
bild zurückdrängte, wie es in den bis auf die
Linien der Ohren und Augenwinkel wieder
stilistisch übereinstimmenden Profilbildnissen
des Jean Paul Seiinger von Leibi und des Simon
George of Quocote (Cornwall?) von Holbein in
Frankfurt vorliegt. Diese Bilder sind schon
manchem Kritiker zu kühl und zu feingefädelt
in der Linie erschienen, aber es ist darin jene
vollendete Sachlichkeit der Form erreicht, die
die ganze Freiheit, Fülle und Tiefe der ma-
lerischen Strömung in die strenge Plächigkeit
und den unabänderlichen Umriß aufnimmt und
darin verschließt. Wenn man die Hand des
Quocote mit der Xelke für sich betrachtet und
etwa die ähnliche Handstudie eines Fragmentes
von Leibi daneben legt, dann erwacht — durch
den Gleichklang verstärkt — in der schlichten
Naturwiedergabe eine Lebendigkeit des Aus- Wilhelm Leibi. In der Kirche

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