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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Talmon-Gros, Walter: Der Maler Friedrich Stahl
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0444

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Staatliche Museen

Friedrich Stahl. Eris

Diese Tanzkanzone des jungen schön-
lieitstrunkenen Medizäers schwebt unsicht-
bar über den meisten Gemälden Friedrich
Stahls.

Auch die englischen Präraffaeliten haben
sich ihre Anregungen aus der Welt Beatri-
ces und Tassos geholt. Was aber bei Fried-
rich Stahl von Grund aus erlebt ist, wirkt
bei ihnen als sentimentaler Aufguß eines
erborgten echten Gefühls.
Friedrich Stahl hat neben seinen figür-
lichen Kompositionen auch viele reine
Landschaften und Stilleben gemalt. Das
Persönlichste und Reizvollste seiner Kunst
steckt aber doch in Bildern, wie „Improvi-
sator" (Nationalgalerie Berlin). In solchen
Schöpfungen ist Stahl ohnegleichen, nicht
nur in der gegenwärtigen, sondern auch
in der vergangenen deutschen Kirnst. Die
elegische Haltung, die aus dem Wissen um
die Vergänglichkeit alles Schönen ent-
springt, verleiht diesen Werken einen ein-
zigartigen Zauber. Aus den Gebärden und
der Tracht dieser Traumgestalten spricht
die Kultur einer Epoche, die die Schönheit
unter einem schmerzlichen Mantel an
betete. Nie ist das Lebensgefühl der Botti-
celli-Zeit idealer und kultivierter gestaltet
worden.

Der juwelenhaften Kostbarkeit des Inhalts
entspricht eine ebenso einzigartige Fein-
heit der malerischen Darstellung. Der
schwermütige Hauch, der um die ätheri-
schen Geschöpfe weht, wird mit einer un-
gemein zarten Abstufung der Tonwerte
zum Erklingen gebracht. Pinselführung
und Farbensinn der alten Meister sind so
frei in Friedrich Stahl übergegangen, daß
er es ohne weiteres wagen kann, sie von
Fall zu Fall mit der Überlegenheit des ori-
ginellen Künstlers zu variieren. So wenig
es sich bei seinen Bildgedanken um eine
epigonenhafte Übernahme handelt, ver-
leugnet auch ihre handwerkliche Verarbei-
tung nicht die Errungenschaften der mo-
dernen Freilichtmalerei.
Die impressionistische Aufhellung der alt-
meisterlichen Palette kommt vor allem sei-
nen Landschaften zugute. Während näm-
lich in seinen figürlichen Gemälden die
Natur als Stimmungsträger in ein mysti-
sches Sfumato gehüllt ist, kommt in der
atmosphärischen Auffassung seiner Land-
schafts- und Städtebilder, wie etwa in der
römischen Tiberansicht, eine lockere im-
pressionistische Pinselführung zur Gel-
tung. Vom rein malerischen Gesichtspunkt
aus betrachtet sind die Blumenstilleben das
Kostbarste im Werke Friedrich Stahls. Der
hochkultivierte Geschmack, der aus der Zu-
sammenstellung der Blumen spricht, und
die juwelenhafte Leuchtkraft der Farben
vereinen sich zu Bildwirkungen, die an ge-
heimnisvoll glühende alte Glasgemälde er-

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