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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 56.1940-1941

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Scholz, Wilhelm von: Manzels "Théâtre Gymnase"
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https://doi.org/10.11588/diglit.16489#0524

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ner Gedanken (der bedächtig gelassen der lebhaften
Frau zuhörende Herr) gegeben. Es stellt seine An-
forderungen auch an das geistige Mitgehen des Zu-
schauers: nicht nur wie Daumier an seine geschlecht-
lichen und kampfwilden Urinstinkte. Menzels Publi-
kum ist gebildeter bürgerlicher Mittelstand, das Dau-
miers ist „Galerie" (im guten Sinne, wie sie das große
dramatische Theater immer braucht!).
Vollendetes Theater sind beide Bilder, zwei getrennte
Arten des Theaters, von denen wir weder die eine
noch die andere von unserem Begriff der Bühne weg-
denken können.

Zu Menzels Bild ist noch zu sagen: es hält das Thea-
ter unserer Großväter fest, das die Alteren von uns
noch gekannt haben, das Theater vor Erfindung des
elektrischen Lichts. Gas-, vielleicht noch Petroleum-
oder Öllampen, mit denen sich nur eine untere Licht-
rampe bestellen ließ, gaben die seltsame unwirkliche
Beleuchtung der Köpfe — aber auch der Möbelstücke,

überhaupt aller Dinge auf der Bühne — von unten
mit den nach oben geworfenen Schatten.
Die Bühnenkunst erklärte sich für endlich erlöst und
befreit, als ihr die Einführung des elektrischen Lichts
eine natürliche Beleuchtung ermöglichte. Aber ging
nicht damit auch etwas verloren? War der stilisierte,
durch das Unterlicht hart, mit starken Schatten her-
ausmodellierte Kopf des Darstellers nicht im Anblick
schon gewaltiger, dramatischer als der natürlich be-
leuchtete?, paßte er nicht besser zur großen Gebärde?
Ein Lear, ein Macbeth, ein Karl Moor, der in diese
Beleuchtung heraustrat — das war für mich als Jun-
gen schon bannend und atemraubend, als wäre bereits
die größte Szene gespielt worden! Es gibt einen Vor-
hanggemälde-Entwurf von Schadow, auf dem die Muse
so von unten beleuchtet ist. Vor ihm empfinde ich noch
heute die Schauer des Theaters wie in meiner Jugend.
Auch auf Menzels „Theätre Gymnase" lebt dieses
vergangene Bühnenzeitalter.

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Honore Daumier (1808—1879). Das Drama

Mönchen, Neue Pinakothek
 
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