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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Stahl, Fritz: August Gaul
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0104

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Umwandlung des Materials in den dargestellten Stoff
statt. Trotz aller täuschenden;, bis zur Tastillusion
täuschenden Schilderung der Stoffe behält das
Material seinen Charakter, bleibt es Bronze und darf
seine Schönheit, seinen metallischen Lüstre behalten.
Gerade das ist es, was dem Nichtsalsthonkneter
niemals gelingen kann, was nur die Hand heraus-
bringt, die im Material oder mit dem Gefühl für
das Material arbeitet.

Dieselben Beobachtungen sind an den Arbeiten
in Stein zu machen. Vielleicht sind sie hier sogar
noch unmittelbarer belehrend, weil hier der Künstler
nicht nur mit den Erfahrungen über sein Material
arbeitet, sondern im Material selbst.

Wie da das wollige Fliess der Schafe, das zot-
tige Feil der Ziegen, wie in dem neuesten Werk in
dem harten Stein die Mähne des Löwen ausgedrückt
ist, ohne den besonderen Charakter des Steines zu
stören, das ist höchster Bewunderung wert. Nament-
lich bei dem Löwen ist es durchsichtig, wie der
Stein zur Stilisierung drängt, die infolgedessen auch
nicht als Caprice, sondern als unumgängliche Not-
wendigkeit erscheint.

Daneben kommt die geistreiche Schilderung
der Detailformen in Betracht. Das Detail ist nie-

mals in pedantischer Ausführlichkeit gegeben, es
ist nur durch die Mittel, die das jedesmalige Mate-
rial bietet, der Schein einer solchen Ausführlich-
keit erweckt.

Von den Ziegen lind Schafen in Stein, die in
Italien entstanden, über die entzückenden Klein-
bronzen hinweg zu der Bronzelöwin und dem
Löwen in Stein, den er jetzt unter den Händen hat,
hat der Weg Gauls stetig aufwärts geführt. Es
handelt sich dabei nicht sowohl um ein Besser-
werden der Arbeit, die von Anfang an auf der
höchsten Stufe stand, sondern darum, dass der
Künstler immer schwierigere Aufgaben sucht und
bewältigt.

Mit etwa dreissig Jahren hat der Künstler es
erreicht, dass ihn die Besten einen Meister nennen.
Wir haben noch viel von ihm zu erwarten.

Ja, man darf mehr von seinem Wirken hoffen
als ein reiches Lebenswerk. Für die Jungen, die
der plastischen Kunst heranwachsen, kann er ein
Führer werden, der für die Verlotterung dieser
Kunst ihnen die Augen öffnet und ihnen das Ge-
wissen schärft.

AUGUST GAUL, RUHENDE LÖWIN
 
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