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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Corinth, Lovis: Der Akt in der bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0117

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Sehen wir aus der antikenZeit von demLaokoon
und ähnlichen Bildwerken ab und suchen wir_ einiger
echten Beispiele griechischer Kunst habhart zu

W" H* im alten Museum zu Berlin ist eine Bronze
noch von Friedrich dem Grossen erworben. Em
nackter Jungling (ohne KopO^JJ^^
sehen Zeit, der trotz seines geMg^™! Die
Kolosse des Vatikans an Schönheit f «™^£
Venus vonMilo im Louvre wird ^^ct
hoch über ihre Namensschwestern, die ^SC^
und andere, gestellt. ^^«»2
Altarreliefs sind von einer G^arüg
keine Gruppen, die in der Renaissancezei
wurden, heran können. aus unsrer •

Prachtvolle Schöpfungen besitzen

christlichen Zeit, so lange jb-^äU wirke?
auf das Kunstempfinden der nxw

durfte. . u„.- nonatello seine

Mit welcher Innbrunst hat Dona«
Figuren geschaffen; BotticelU seine an k^er£n
doch lebensvollen Heiligen und hexdmschen
Michel Angelo dichtet in *^£Z Leben
der Nacktheit. Sein Ada*/™ ,°rfbcrwerden,
erwecktund vor allem seine Mediceergr bei■ ^_

so lange Menschen singen und sagenU
schöpLgen der Welt verherrlicht werden

Correggio und die Vencü«^«g ^

allem in Darstellungen des MC*M Männer

sinnliche Schönheit die Begehrlichkeit
zu den grössten Thaten g^*^ van Eyck.

Dagegen wieder ^rbM i ^

Seine berühmten Flügelbilder zu dem g ^

bilde - Adam auf der emen^«^ ^^
der andern - sind in *** Konvention ist

troffen. Schön nach raffae*1SC?"ndlich schön
dieses ersteMenschenpaar nicht a NalVetät

durch den hohen Geist der mit de«

schon seit einem halben J^™^
Bildern heraus zu dem Beschauer Prl^ " der

Welche Gewalt bezwingt ^^ über.
Leiche Christi von Holbein: dei ^^^ und
wundenen Qualen, den jede Form des An"
des KörpersTredigt; ein Mensch, dem der
Befreier von allen Leiden willkommen_J

All diesen Meistern war^^^
die Form zu thun und sie kolo erten g
massen die Hautfarbe auf diese hauj. ^

Ganz anders verfuhren die drei ^
lazquez, Rubens und Rembrandt eschienen

Sie sahen die Figuren vom Licht

und umflossen, während die Umgebung einen nicht
mindern Einfluss als Wiederspiegelung auf die Ton-
werte ausübte.

So wurden nicht mehr Lokalfarben auf die
Tafel gestrichen, sondern die Färbung des Gegen-
standes ändert sich und nimmt alle Schattierungen
an, die Licht, Schatten und Reflexe bedingen. Durch
diese Art farbig zu sehen, geben diese Künstler nicht
allein die Muskulatur und Konstruktion des Körpers
wieder, sondern du glaubst das Fleisch mit dem
Finger eindrücken zu können und das Blut unter
der Haut pulsieren zu sehen.

Rembrandt hat seine Frau Saskia des öfteren als
Akt gemalt. Der Charakter der Gestalt hat viel
Aehnlichkeit mit der Eva des Jan van Eyck, aber
wie anders flutet hier das Licht über das ganze
Bild, so dass es ein Ausschnitt aus der wirklichen
Natur zu sein scheint.

Nach Rembrandt kommt dann der Verfall: die
Schilderung des nackten Frauenkörpers dient ledig-
lich als Sinnenkitzel für blasierte Gourmets, mögen
es nun reiche holländer Kaufleute oder versailler
Höflinge sein.

Die Rokokomaler, Boucher und Andre — so
tüchtig sie sind — scheinen nur eine einzige fortlau-
fende Illustration zu dem frivolen Ausspruch des
ungezogenen Heinrich Heine: „Madame! unter den
Kleidern sind wir Alle nackend."

Im ersten Teil des neunzehnten Jahrhunderts er-
hebt der Franzose Ingres die Aktmalerei wieder
auf das Niveau der hohen Kunst, Manet vollendet
ihn, trotzdem die Akademiker Cabanel, Lefebre,
Bouguereau sich als die Berufneren dünkten.

Auf der höchsten Höhe steht jetzt in Frank-
reich der Bildhauer Rodin: Sein schreitender Mann,
den er Jean le Baptiste nennt, ist mit das Herrlichste,
was ein Mensch geschaffen.

Bei uns kann Böcklin nicht direkt als Verherr-
licher des nackten Menschen angesehen werden.
Seine Akte dienen ihm als Farbflecke in der Land-
schaft. Alles was Inbrunst und Anbetung be-
zeichnet steht weit weg von ihm und nur einem
Laien kann er durch die subtile Ausführung der
einzelnen Haare und oberflächliche Ausführlichkeit
von Formen den Gedanken erwecken, dass er den
alten Viaamen und Italienern nachstrebe.

Eigentümlich ist es, dass unsre beiden tüch-
tigsten Maler Leibl und Menzel niemals Akte ge-
schaffen haben — wenigstens ist mir nichts der-
artiges bekannt. Man sollte glauben, dass Menzel
mit seiner mächtigen Charakteristik, die an Dürer

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