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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Kessler, Harry: Der deutsche Künstlerbund
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0200

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auf seiner Seite. Gegen und ohne fast sämtliche nam-
haften deutschen Künstler wird eine deutsche Kunst-
ausstellung im Ausland nicht zum zweiten Mal
unternommen werden.

Die Bedeutung seiner Mitglieder und die Mittel,
auf die er rechnen darf, erlauben dem Künstlerbund
dann auch, Etwas zu planen, das seit Jahren und
nicht nur in Deutschland von Allen, die innere Be-
ziehungen zur lebenden Kunst fühlen, fast sehn-
süchtig erwünscht wurde: ein ernsthaftes, nach
denselben Grundsätzen wie die Sammlungen älterer
Kunst zusammengestelltes modernes Museum.

Denn die modernen Galerien, die National-
Galerie in Berlin, der Luxembourg in Paris, die
Tate-Sammlung in London, sind, was man meistens
übersieht, nach andren Prinzipien gesammelt und
werden in anderer Weise verwaltet als das Alte
Museum in Berlin, der Louvre oder die lon-
doner National Gallery. Man empfindet meistens
nur, dass die Sammlungen moderner Werke depri-
mierend hässlich sind, und macht dafür die mo-
derne Kunst verantwortlich. Aber diese ist nicht
schuld: das beweist die ebenbürtige Schönheit der
gut gewählten, grossen Privatsammlungen aus dem
19. Jahrhundert, derer z. B. von Camondo, Du-
rand-Ruel, Bernheim, Viau in Paris, und einer An-
zahl ähnlicher, die jetzt auch in Deutschland ge-
schaffen werden.

Das Grundprinzip jeder ernsthaften Kunstsamm-
lung ist und muss sein: bei jedem Werk gilt nur
die Kunst, nur die Form. Nichts Ausserkünst-
lerisches wie das Sujet oder des Künstlers gute Ge-
sinnung und amtliche Stellung. Und zwar muss
die Form zugleich künstlerisch hervorragend und
künstlerisch persönlich sein; kein blosses Mittel-
gut und keine unpersönliche, einem Andern ab-
geguckte Manier.

Dieses Grundprinzip leidet nur eine Ausnahme:
nämlich Werke, die auf die Entwicklung oder die
Entwicklungsmöglichkeiten der Technik, des Stils
oder der Auffassung ein besonders helles Licht
werfen, werden zugelassen, auch wenn sie ästhetisch
weniger ausgezeichnet sind. Aber im Grunde durch-
bricht auch dies nicht das Prinzip; denn auch solche
Werke kommen nur deshalb herein, weil sie zur Form
in einer wenn auch bloss geschichtlichen Beziehung
stehen.

Die Auswahl aber der Werke liegt bei alten
Museen grundsätzlich oder doch mindestens that-
sächlich in einer Hand, nicht bei einer Kommission.

Diese Prinzipien sind nicht bestritten. Für die
Sammlungen alter Werke aus der Zeit vor 1800
gelten sie als selbstverständlich. Man würde einen
Museumsdirektor, der sie dort ausser Acht Hesse,
absetzen wegen Unfähigkeit. Aber doch giebt es keine
öffentliche Sammlung moderner Bilder, die nach
diesen Prinzipien geleitet würde; und als es einmal
versucht worden ist, durch Tschudi in Berlin, da hat
der Staat tragikomischer Weise selbst eingegriffen,
um zu verhindern, dass seine Gelder gut angelegt
statt verschwendet würden.

Bei modernen Galerien ist nämlich das Grund-
prinzip : in erster Linie wird jedem Künstler, der ein
paar Jahre unanstössig gemalt hat und Professor ist, ein
Bild abgekauft. Die Gelder, die das Parlament für
moderne Kunst bewilligt, sind eine Art von Staats-
krippe, von der Jeder, der zur Heerde gehört, ein
Recht hat, sich sattzuessen. Was übrig bleibt,
wird auf Werke verteilt, auf die eine zahlreiche
Kommission älterer Künstler und Akademie-
professoren sich einig wird. Etwas ästhetisch Her-
vorragendes und deshalb Einseitiges wird das selten
sein; Etwas künstlerisch Revolutionäres, wie Alles,
was später historisch wird, ganz gewiss nie. Das
Sujet, namentlich soweit es politisch und patriotisch
ist, entscheidet oft den Ankauf, und auch die ge-
sellschaftlichen Beziehungen sind von ganz bestimm-
tem Gewicht. Alle Grundsätze, die bei den älteren
Sammlungen gelten, sind mithin in ihr Gegenteil
verkehrt.

Wenn der Künstlerbund eine Galerie schafft,
so wird er, schon seinem eignen Charakter und
Zweck gemäss, rein ästhetisch urteilen und sich
prinzipiell auf hervorragende und persönliche oder
historisch bedeutsame Werke zu beschränken suchen.
Und er wird nach seiner auch sonst aristokratischen
Verfassung die Ausführung und Verwaltung in
die Hände Weniger legen. Wahrscheinlich wird
man die Verwaltung wie die der Museen alter Kunst
der Sammelweise eines gut beratenen Privat-
mannes sehr nahe bringen. Diese Grundsätze klingen
fast trivial, so selbstverständlich scheinen sie. Sie
sind aber bei der Verwaltung einer öffentlichen
Sammlung moderner Kunst wirklich neu.

Eine solche moderne Galerie würde denn auch
fast Nichts gemein haben mit den jetzt als Museen
moderner Kunst geltenden Instituten. Sie würde
wie die Camondo-Sammlung in Paris die Ruhe, die
Vornehmheit und das erhöhte Leben mit den Galerien
alter Kunst teilen. Sie würde durch die grossen
Traditionsentwicklungen, die das 19. Jahrhundert

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