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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0206

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sionistische" Malweise aufzugeben. Die Auffassung,
dass ein Lehrer mit einem „Malbeamten" identisch sei,
macht sich geltend; man denkt an den Papst, für den
nur eine Art der Rechtgläubigkeit existiert und vor
dem Theologieprofessoren ihre Lehre zurücknehmen
müssen.

♦ .

Eine ganze Wagenladung Eberleins traf in Rom ein.
Der Schöpfer des Goethe-Denkmals hat begriffen, dass
er in Rom noch nicht gefällt und er wird sich deshalb,
wie das Giornale d'Italia berichtet, „quantitativ in ganz
ausserordentlicher Weise" an der im Frühjahr zu er-
öffnenden Ausstellung der Amatori e Cultorl di belle
Arti beteiligen.

*

Die Wahl eines Präsidenten der internationalen Ge-
sellschaft der Bildhauer, Maler und Kupferstecher (eine
londoner Künstlergesellschaft) hat stattgefunden. Das
Amt bekleidete früher Whistler. Jetzt ist Rodin er-
nannt worden. Zum Präsidenten der diesjährigen
grossen berliner Kunstausstellung wurde Ernst Körner
gewählt.

Muss ein Ausstellungspräsident immer ein Genie
sein? Das wäre schlimm für die überwältigende Mehr-
heit der Ausstellungen; es genügt, wenn er zu begreifen
vermag, was Grosses in der zeitgenössischen Kunst pro-
duziert worden ist. In diesem Punkt, fürchten wir,
versagt Ernst Körner. Er erscheint nicht wie jemand,
der im Besitz der künstlerischen Bildung seiner Zeit ist.

Es hat etwas Beschämendes, zu denken, dass er an
der Spitze einer grossen Ausstellung in Berlin steht.
An der Spitze einer kleineren Ausstellung, die ihre
Wände mit den Bildern ihrer Künstlervereinsmitglieder
behängt, wäre er am Platz. Anton v. Werner war der
Posten angeboten; er scheint geahnt zu haben, dass die
diesjährige grosse berliner Ausstellung recht schlecht
werden wird, weil sich der deutsche Künstlerbund ge-
bildet hat. Er hat die Wahl abgelehnt; und so ist Prof.
Ernst Körner an die Spitze der Ausstellungskommission
gekommen.

#1

Bei einem Wettbewerb für die Bemalung der öst-
lichen Wände des Reichstagssitzungssaales wurden die
Preise verliehen. Einen erhielt Prof. Arthur Kampf,
einen Prof. Woldemar Friedrich, einen Angelo Jank.

Bei Schulte sind Werke eines jungen Malers aus-
gestellt, dem ein ungewöhnlicher Ruf vorausging:
Caro-Delvaille. Unsere Erwartung, dass es nicht viel
sein würde, was er zu bieten hätte, wurde Lügen ge-
straft. Caro-Delvaille ist wirklich ein guter Maler.

Nicht ein junger Manet — so sagten die einen — oder
ein junger Renoir — so drückten sich die Gemässigteren
aus: aber immerhin ein guter Maler. Dass er aus den
Kolonien ist, sieht man bei den Bildern dieses fünfund-
zwanzigjährigen Künstlers von selbst. Auch ein junger
pariser Künstler pflegt die Frau in den Mittelpunkt seines
Nachdenkens zu stellen; und doch nicht mit einer sich
so versenkenden Beflissenheit. Auch zeigen die von
Caro-Delvaille dargestellten Frauen selbst, dass sie
keine Pariserinnen sind. Sie sind vielmehr Creolinnen;
wenn auch nicht dem Blut, so doch der Gesinnung nach
und in der Art, wie sie ihre Toiletten tragen; oft
auch in der Art, wie ihre Toiletten angefertigt sind.
Mit Temperament und naiver Unbefangenheit hat Caro-
Delvaille das Quantum Wildheit und Unkultur, das
Exotische und Träge, das Naiv-Raffinierte der Frauen,
die ihm vorschweben, wiedergegeben. Der Maler in
ihm verrät sich hervorragend z. B. in einer Hand, die
eine der von ihm gemalten Frauen, die auf einem Sopha
liegt, hinter ihren Kopf breitet. Diese Hand ist aus-
gezeichnet; das Fleisch in ihr wirklich gefühlt. Manchmal
kommt auf Caro-Delvailles Arbeiten der Fehler vor,
dass, während der Vordergrund mit den Frauenfiguren
klar und leuchtend ist, der Hintergrund zu sehr ver-
wischt, zusammengestimmt, schwächlich gemacht er-
scheint —■ gleichsam als ob sich zwei Malmethoden in
den Bildern vereinigt fänden. Am besten unter den
Arbeiten sind: „die manicure", die Dame mit den Hor-
tensien und das Bild „meine Frau".

Von Georges Jeanniot, dem von Zola Geliebten,
sieht man Arbeiten, die nur mittelmässig sind. Eine
herrliche Kleinbronze stellt der Belgier Jules Lagae aus,
einen vlämischen Stier.

*

Bei Paul Cassirer ist eine glänzende Ausstellung
Slevogts. Da wir über den Künstler einen Aufsatz zu
veröffentlichen gedenken, so stehe hier nur dieser Hin-
weis. Curt Hermann wendet in liebevoller Vertiefung die
neo-impressionistische Technik auf Stillleben an. Paul
Baum zeigt liebenswürdige Landschaften in hellen Tönen
aus Konstantinopel und Flandern, auch ein älteres ton-
volleres Bild mit blühenden Malven.

Die münchener Secession veranstaltete ihre lang
erwartete Ausstellung in Berlin im Künstlerhause. Sie
hat nicht mit viel Glück operiert. Die Verständigen
bei uns haben niemals gemeint, dass sie etwa im Bewusst-
sein von der berlinischen Fülle an Talent einen Nieder-
gang des münchener Talents beklagen dürften-sie haben
vielmehr nur angenommen, dass in München ein Nieder-
gang in der Fähigkeit, Ausstellungen zusammenzustellen,
zu konstatieren sei, ein Mangel an Organisation, an
Beflissenheit, die Ausstellungen so gut geraten zu lassen,
dass selbst die Mitglieder erstaunen. Umsomehr hätte
die münchener Secession sich bemühen müssen, bei ihrer

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