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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Bode, Wilhelm von: Die amerikanischen Gemäldesammlungen in ihrer neueren Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0387

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der von mir damals vorausgesehenen und rasch ein-
getretenen Krisis, in kürzester Zeit schon in be-
deutendem Masse der Fall sein und ist bereits der
Fall; nur dass diese Konkurrenz unseren grösseren
europäischen Museen einen sehr wesentlichen Ab-
bruch thut oder thun wird, schien mir unwahr-
scheinlich und scheint mir auch heute noch nicht
wahrscheinlich. Wir haben in Europa Dutzende
von grossen Kunstsammlungen, die ein nahezu ab-
geschlossenes Ganze bilden, mögen sie nun ihrer
Anlage nach einseitig oder Elitesammlungen von
Werken der hervorragenden Schulen aller Zeiten
sein. Sie werden, da sie fast alle an der Ueberfülle
von Kunstwerken leiden, eher an das Ausscheiden
geringerer Stücke denken müssen und nur noch
hie und da an ein ganz hervorragendes Stück oder das
Werk eines gar nicht oder ungenügend vertretenen
Meisters! Solche Werke kommen nur äusserst selten
vor; diese seltenen Gelegenheiten zu erspähen und aus-
zunutzen, hier den Amerikanern zuvorzukommen,
ist die Aufgabe der Vorstände unserer cisatlantischen
Sammlungen. Nur ausnahmsweise werden bisher
solche Werke — ich spreche hier vor allem von
Gemälden und plastischen Werken älterer Zeit —
über den Ozean gegangen sein; nur in seltenen
Fällen werden die amerikanischen Sammlungen
Stücke erworben haben, die ein wesentlicher Ver-
lust für unsere Museen sind. Was hinübergezogen
ist, ist fast ausnahmslos vorher den europäischen
Museen und Privatsammlungen angeboten worden;
gelegentlich wurde davon das eine oder andere Stück
wegen eines für unsere Verhältnisse weit über-
triebenen Preises abgelehnt, in der Regel aber,
weil die Stücke neben dem alten Besitz nicht stand-
hielten. Dies gilt von dem Raphaelschen Altarwerk
in Mr. Pierpont Morgans Besitz, vom Inghirami, von
Tizians „Europa", vom Dürer-Porträt und anderen
Bildern der Gardner-Kollektion, um nur einige der
bedeutendsten Stücke zu nennen; ja, unter den besten
Rembrandts in amerikanischem Besitz hat z. B. die
londoner National-Gallery verschiedene sogar als
Geschenk abgewiesen. Freilich fallen nicht alle
Stücke unter diese Rubrik: den Pieter deHooch der
Sammlung Havemeyer, den Jan Vermeer der Samm-
lung Frick oder die Bronzebüste des Bindo Altoviti
von Benvenuto Cellini würde jedes grosse Museum
sich glücklich schätzen zu besitzen! Hier waren es
besondere Verhältnisse, gewöhnlich die Höhe der
Forderung, welche den Erwerb für eine europäische
Sammlung unmöglich machten.

Weit gefährlicher wird die amerikanische Kon-

kurrenz unseren Privatsammlern werden. Das leb-
hafte Kunstinteresse und das rasch zunehmende
undzumTeilschonsehr entwickelte Kunstverständnis
in Amerika wird bei den Mitteln, die den dortigen
Sammlern zur Verfügung stehen, und bei der
grösseren Breite derselben im Ausgeben in wenigen
Jahrzehnten drüben eine Fülle hervorragender Kunst-
sammlungen der verschiedensten Art entstehen lassen,
und zwar fast ausschliesslich auf Kosten unserer
Privatsammlungen. Diese werden mehr und mehr
zusammenschmelzen, auch in England; die Zeit
wird nicht mehr sehr fern sein, wo die Privat-
sammlungen in den Vereinigten Staaten denen in
England an Zahl und zum Teil selbst an Bedeutung
nahe oder gleich kommen, die übrigen Staaten
können schon heute mit Amerika darin nicht mehr
konkurrieren. Doch das ist eine Entwicklung, die
sich schon seit Jahrzehnten, auch vor der Konkurrenz
Amerikas, vollzieht und die nicht einmal sehr zu
beklagen ist. Denn auf Kosten der Privatsamm-
lungen vermehren sich die Museen und verbessern
sich ihre Bestände, und auch was jetzt nach Amerika
hinübergeht, wird dort in verhältnismässig kurzer
Zeit meist in öffentliche Sammlungen verwandelt
werden oder übergehen, dank dem grossartigen
öffentlichen Sinn und der Opferfähigkeit der
amerikanischen Bürger. Dass in den Vereinigten
Staaten öffentliche Kunstsammlungen in grösserer
Zahl und von wirklicherBedeutung entstehen,scheint
mir aber auch in unserem Interesse zu sein, weil
die freiere Entwicklung der Kunst drüben auch auf
unsere vielfach erstarrten und verfahrenen Kunst-
verhältnisse nur günstig zurückwirken kann und
ja teilweise schon so wirkt.

Wie zahlreich und bedeutend diese Privat-
sammlungen schon sind und wie sehr man das
Bewusstsein davon in Amerika hat, geht aus einem
grossartigen Unternehmen hervor, das zur Zeit in
New-York in Vorbereitung ist: unter Leitung von
John Lafarge, dem hervorragenden Landschafts-
maler und bedeutendsten Förderer des Kunsthand-
werks in den Vereinigten Staaten, sollen unter dem
Titel: „Notable pictures in American private Col-
lections" die hervorragendsten Gemälde im Privat-
besitz derVereinigtenStaaten herausgegeben werden.
Dieses Werk wird etwa das Folioformat meines
grossen Rembrandt-Werkes erhalten, wird, wie
dieses, die Gemälde in Heliogravüren bringen und
soll den Umfang von i o bis 12 starken Bänden
erhalten. Aufgenommen werden nur ächte und
gute Werke der grossen älteren Meister und der

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