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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Singer, Hans Wolfgang: Die grosse Kunstausstellung in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0413

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ordentlich gut geglückte erste .Kaltnadelversuche
des Künstlers — sowie ein Elfenbild des Grafen
Reichenbach auf, der stets seinen eigenen Weg
wandelt und unter hundert Nebenbuhlern nie ver-
fehlen wird, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Erwähnen möchte ich noch den ersten lithographi-
schen Versuch von Ludwig Otto, ein Christusbild,
das, wenn auch in alten Formen, doch geschmack-
voll gehalten ist. Unverständlich bleibt es, warum
die Genossenschaft sich durch die Ausstellung der
Grafischen Postkarten „Der Jugendstyl im Olymp"
blossgestellt hat.

Von hier geht es in die graphische Abteilung,
die hervorragend wie immer, dieses Mal aber fast
zu gross ausgefallen ist. Aquarelle und Zeichnungen
wiegen vor, die Drucke treten ihnen gegenüber
ganz in den Hintergrund. Eine Wand ist den Sim-
plizissimuszeichnern gewidmet, Heine, Thüny und
namentlich den köstlichen „Bildnissen berühmter
Zeitgenossen" Gulbransons. Eine andre Wand weist
ein Dutzend ganz früher, noch nie öffentlich aus-
gestellt gewesener Hans Thomas auf. Unter den
weiteren Spezial-Ausstellungen stehen Eugen Kirch-
ner, Otto Fischer, Schmoll von Eisenwerth, und als
Hauptsterne zwei Ausländer, der raffinierte Con-
stantin Somoff, sowie Karl Larsson voran. Die emi-
nenten Original-Aquarelle Larssons zu den in seinem
„Album" vervielfältigten Blättern, ferner eine
grössere Zahl entzückender Aquarellbildnisse und
Anderes von diesem schwedischen Boutet de Monvel,
wie man ihn nennen möchte, sind hier zu sehen,
endlich noch zwei Kartons zu seinem „Einzug
Gustaf Wasas". Vor dem grösseren der beiden steht
eine kleine Wiederholung von Zorns eigenartiger
„Wasa"statue.

In der grossen Haupthalle mussten die nicht
grade glücklichen Einbauten, die noch von der
Städteausstellung herrühren, aus Sparsamkeitsrück-
sichten beibehalten werden; sie schliessen den
Mattiellischen Neptunsbrunnen im Gipsabguss ein.
Den .Tonnengewölbegang hat Geh. Rat Treu durch
Aufstellung einer Reihe von Brunnenentwürfen aus
verschiedenen Konkurrenzen belebt.

Links neben dem Hauptsaal ist das Kunst-
gewerbe, das sich dies Jahr innerhalb recht
bescheidener Grenzen hält, untergebracht, daran
stossen zwei Räume, in besonders vornehmer Aus-
stattung, mit Werken Prof. Koeppings. In dem einen
befinden sich unter andern mehrere der berühmten
grossen Platten nach Hals etc. in ganz frühen
interessanten Zuständen; der andere birgt die be-

kannten schönen Ziergläser, weniger gelungene
Intarsien und zwei bemerkenswerte elektrische
Kronen, von denen die grössere mir besonders
glücklich und gefällig erscheint.

. Den grössten Teil des linken Flügels, voran die
Wallotsche Wandelhalle, füllt die retrospektive
Abteilung, die wieder in zwei Unterabteilungen
zerfällt. Unter dem recht weitherzig gefassten
Stichwort „Empire" sind aus sächsisch - thüringi-
schem, fürstlichen und Privatbesitz drei grosse
Wohnräume ausgestattet worden. Sie enthalten
manche sehenswerte Möbel und Kleinkunst. Leider
hält die Inszenierung kaum der nachsichtigsten
Kritik Stand. Die andere Abteilung beschränkt
sich auf Oelgemälde des 19. Jahrhunderts. Obwohl
sie keineswegs ein ausgeglichenes oder auch nur
annähernd erschöpfendes Abbild der Malerei der
verstrichenen hundert Jahre giebt, führt sie uns doch
eine Fülle von interessantem Material, von Gains-
borough, David und Goya, bis auf Böcklin, Puvis
und Pissarro vor Augen. Ausgezeichnet ist die
ältere wiener Kunst, sodann die Schule von
Fontainebleau vertreten. Einen Glanzpunkt bilden
Courbets herrliche „Steinklopfer", ehemals in der
Sammlung Binant. Für die älteren Dezennien trugen
die Sammlungen Ravene-Berlin und Weber-Ham-
burg vieles bei. Ein Kabinet enthält nur Böcklins,
ein anderes fünfzig Werke Menzels, darunter die
Oelgemälde „Chodowiecki", „Theatre du Gym-
nase", „die Bittschrift", „Predigt in der alten
Klosterkirche zu Berlin", „Bauerntheater" und
„Predigt im Freien".

Sonst birgt diese linke Hälfte der Ausstellung,
neben einigen ferneren Zimmern mit Gemälden
lebender Meister (darunter der Ehrensaal mit An-
glada, Bantzer, Carriere, Sauter, Somoff) zwei her-
vorragende plastische Ausstellungen.

Wallot hat einen wunderbaren Kuppelsaal aus-
gebaut, in der Kuppel ein Fliesenfries antiker Löwen
auf blauem Grunde, die Wände weiss mit einem
Stich ins Bläuliche. In diesem Raum, der den
Ehrensaal der Plastik bildet, befindet sich eine be-
schränkte Anzahl von Gipsen, Entwürfe von Rodin
(„lepenseur"in einer Nische), Klinger,Schilling etc.
in prachtvollster Aufstellung. Dem Gips, als dem
blossen Faksimile des Thonmodells, haftet über-
haupt noch der unmittelbare Fingerdruck, der
Niederschlag jeder leisesten Augenblicksstimmung
des Künstlers an, die beim Erzguss oder dem Stein
schon viel weniger zu Tage treten kann, da die Un-
gefügigkeit des Materials hier ganz besondere

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