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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 2.1904

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Keyserling, Eduard von: Ausstellung der Münchener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.3550#0447

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Brennen des Lebens und das stille Glühen des Lichtes
kann nicht eindringlicher ausgesprochen werden.

Sanfter, friedlicher liegt der Sonnenschein auf
Uhdes Laube. Mädchen in hellen Kleidern lassen
die grünen Lichter und Schatten wohlig über sich
hinflirren. Uhde, einst der Erzähler ernster Legenden,
in denen, zwischen den traurigen Farben der Armut,
nur zuweilen das Wunder eines Heiligenscheines
aufleuchtete, für ihn ist heute das weiche, blonde
Licht, das durch grüne Blätter fällt, ein Ereignis,
welches er immer wieder malt und nicht zart,
nicht blumig genug hinstellen kann.

L. Herterichs grosses Doppelbildnis gehört zu
den farbenfreudigsten Bildern der Ausstellung.
Eine Dame und ein Kind, beide in hellen, sommer-
lichen Kleidern. Zwischen ihnen ein grosser Strauss
roter Rosen. Beide Figuren stehen zwar sehr be-
merkbar Modell. Allein das thäten die Modelle
der grossen holländischen und flämischenPorträtisten
auch. Aber das Leben in dem Bilde ist so stark,
das Blut und die Farben sind so warm, dass es ge-
nügt, diese Menschen vor uns hinzustellen, damit
wir an ihrem farbigen Leben Teil haben. Das ist
ein starker und gesunder Kolorismus, an dem wir
uns behaglich wärmen können. Ein kompliziertes
Spiel mit Farben treibt Th. Th. Heine. Ein rot-
gekleideter Narr steht über einem prachtvoll
schwarz- und goldgefleckten Drachen, den er erlegt
hat, und küsst einem zarten, blonden, in weissen
Mousselin gekleideten Fräulein die Hand, lieber
ihnen, hinter dunkeln Wipfeln, brennt ein centi-
fölienfarbenes Abendrot. Da ist allerhand Witziges
und Ironisches in der Erzählung und Farbe, und
doch können wir Witz und Ironie vergessen über
dem angenehmen Rhythmus der Linien, dem geist-
vollen Ineinandersprechen der Farben. Hier ist
wirklich Dekoratives, das uns vor Behagen lächeln
macht, noch ehe wir verstehen.

Landenbergers Christus im Grabe ist ein seltsam
erregendes Bild. Die Leiche ist gegen einen röt-
lichen Felsen gestützt. Das Fleisch hat die bleichen,
grünlichen Töne, der Unterkörper die harten Linien
des Todes. Die Muskeln sind noch wie in Qual
verzerrt, während der Kopf, die Bewegung der
Arme eine rührende Sentimentalität bewahren, die
den grausamen Schauern der anderen Teile wider-
spricht und wohl auch das Empfinden des Be-
schauers vor dem mit so grossem Können gemalten
Bilde nicht recht in einem einheitlichen Eindruck
zur Ruhe kommen lässt. . .

Franz Stuck giebt uns mit seiner Susanne wieder

ein Bild, das an den Farbenreiz seiner früheren
Bilder gemahnt. Die nackte Frauengestalt hebt
sich von einem lichtblauen Tuche, das sie vor sich
ausbreitet, ab; im Hintergrunde zinnoberrote Ge-
stalten. Hier wirkt wieder einmal der Farben-
schmelz ohne die Gewaltsamkeiten, mit denen der
Künstler uns in letzter Zeit das Geniessen seiner
Bilder erschwerte. Der Akt in seiner komplizierten
Bewegung, mit dem weichlichblauen Inkarnat ist
nicht eben lebensvoll, allein Farbe und Vorgang
gehören hier zu einander, statt dass, wie bei manchen
Bildern des Künstlers, die Farbe sich unterstreicht
und das Leben, von dem sie erzählen soll, tot-
schlägt. Sehr hübsch in seiner nervösen, flimmern-
den Farbigkeit ist A. von Kellers Tänzerin. Die
Tanzkunst ist für unsere Zeit neuerstanden. Das
spüren wir auch in der Malerei. Die Tänzerin
wird ein Lieblingsthema. Aber vielleicht ist es,
weil diese Kunst uns zu neu ist, dass sie sich noch
nicht recht zum Bilde umsetzen lässt. Das An-
spannen, das Sublimieren der Bewegung, das diese
Kunst verlangt, verliert im Bilde an Leben. Und so
erhält das Bild etwas von Unverständlichkeit und Ver-
zerrtheit. Nichts Neues sagt uns H. von Habermann.
In dem Damenporträt zwar finden wir die nervöse
Beweglichkeit seines Striches, das Gleissen der Farben,
diese virtuose Gespanntheit wieder, wie er sie all
diese Jahre hindurch immer wieder zeigte. Aber
diese geistvolle Sprache scheint nur für einen geist-
vollen Gedanken erfunden zu sein. L. Samberger
in zwei Männerköpfen ist beruhigter als sonst.
Wir können hier die schöne, energische Model-
lierung, die scharfe Beredsamkeit der Züge gemessen,
ohne dass das Feuer gespenstisch brennender Augen,
zu starker Glanzlichter uns stört.

Die Landschafter sind alle vertreten in ihrer
ernsten Vertrautheit mit der Natur, ihrer ruhigen,
herben und nachdrücklichen Art die Eindrücke
auszusprechen, die sie empfangen haben. Vor allen
Hölzel, der in den letzten Jahren an Freiheit und
Tiefe im Erfassen der Seele der Landschaft so ge-
wachsen ist. Ganz bleiches, feuchtes Frühlingslicht
liegt über einem Städtchen, über vom Winde ge-
zausten Bäumen, oder ein Waldrand; lange, schiefe
Bäume, hagere, tragische Gestalten heben sich von
einem hellgrauen Himmel ab, der voll eines me-
lancholischen, grauen Lichtes ist. Crodell giebt über
einemstillen,flachenWeidelandeeinbewegtes,leuch-
tendes Wolkendrama. Hänischs ganz breit vorge-
tragene Landschaft mit'der gelben Junisonne und
dem derben Leuchten der Farben gemahnt stark

4-4,8.
 
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